Jagd auf „hausgemachten“ Staatsfeind

Jagd auf „hausgemachten“ Staatsfeind
(dpa)

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Amerikas Staatsfeind hat den US-Pass: Der "hausgemachte" Hassprediger Anwar al-Awlaki gilt als möglicher Nachfolger von Terrorchef Bin Laden. US-Ermittler haben ihn im Jemen im Visier.

Als „Osama bin Laden des Internets“ gilt er seit langem, nun könnte er den Al-Kaida-Chef vollends beerben: Der Jemenit Anwar al-Awlaki ist ein „Eigengewächs“ der Amerikaner. US-Pass und Anpassungsfähigkeit verliehen ihm jahrelang eine Tarnkappe, die ihn zu Washingtons gefährlichem Gegenspieler machte. Sein Aufruf zur Tötung von US-Bürgern brachte ihn auf die „Liquidierungsliste“ der CIA. „Tot oder lebendig“ heißt die steckbriefliche Antwort der US-Regierung auf Al-Awlakis Mordaufruf. Dabei ist der hochgewachsene, vornehm anmutende Mann mit der randlosen Brille selber Amerikaner.

Sein Vater Nasser Al-Awlaki arbeitet im Auftrag der jemenitischen Regierung in den USA, als Anwar 1971 in Las Cruces im US-Staat New Mexico geboren wird. Als die Famile längst in den Jemen zurückgekehrt ist, zieht es Anwar Al-Awlaki 1990 in die USA zurück. Er studiert Pädagogik und ist Imam in San Diego und erwirbt ein Ingenieurs-Diplom der Universität Colorado. Dann wird er Prediger in der Dar Al-Hijrah-Moschee nahe der Hauptstadt Washington.

Begnadeter Redner

In dem einflussreichen islamischen Zentrum zieht der eloquente Rhetoriker schnell eine große Fangemeinde an. Auch drei der späteren Attentäter des 11. September 2001 lauschen Al-Awlaki dort. Nach den Attentaten frohlockt der Prediger im Internet: „9/11 war die Antwort von Millionen Menschen, die unter der amerikanischen Aggression leiden.“


Die US-Bundespolizei FBI hat Al-Awlaki derweil Verbindungen zu radikal-islamistischen Organisationen nachgewiesen, die Al-Kaida unterstützen. Über London geht er 2004 wieder zurück in den Jemen, um an der Imam-Universität in Sanaa zu arbeiten. 2006 wird er dort wegen mutmaßlicher Unterstützung von Terrororganisationen festgenommen. Seit seiner Freilassung versteckt sich Al-Awlaki mit seiner Familie in der Südprovinz Schabwa.

Internet als Sprachrohr

In Internet-Videoclips hingegen meldet er sich in bestem Englisch immer wieder zu Wort: „Erinnert ihr euch noch an die gute alte Zeit, als die Amerikaner den Segen von Sicherheit und Frieden genossen haben?“, feixt er mit dünner Stimme an die USA gewandt.

Doch bei harmlosen Videobotschaften bleibt es nicht. Al-Awlaki spezialisiert sich auf die Rekrutierung englischsprachiger Terroristen, die er für Anschläge gewinnt. So soll er engen Kontakt zum Amokläufer von Fort Hood gehabt haben, der Ende 2009 auf dem texanischen Militärstützpunkt zwölf Soldaten und einen Zivilisten getötet hat. Nach Al-Awlaki wird auch im Zusammenhang mit dem vereitelten und im Jemen geplanten Anschlag auf eine Passagiermaschine Weihnachten 2009 in der US-Metropole Detroit gefahndet.

Mordaufrufe gegen Anders-Denker

Im Herbst 2010 ruft er dann zum Mord an der amerikanischen Karikaturistin Molly Norris auf. Sie hatte es als Beitrag zur Meinungsfreiheit gewagt, den Propheten Mohammed für ihre Zeitung „Seattle Weekly“ zu karikieren. Via Facebook rief sie zudem zu einem internationalen „Zeichnet-Mohamed-Tag“ auf. Nach der Todesdrohung des Hasspredigers ist Molly Norris auf Anraten des FBI abgetaucht. Sie lebt unter anderem Namen an einem anderen Ort.

Al-Awlaki gehört zu der von der US-Regierung besonders gefürchteten neuen Generation radikalisierter Muslime mit amerikanischem Pass. So gefürchtet, dass er bis heute der einzige Kandidat ist, den Präsident Barack Obama auf die CIA-Todesliste setzen ließ. Sie gibt CIA-Agenten und Militärs das Recht, Terrorverdächtige umzubringen, wenn eine Festnahme unmöglich erscheint.

Die Liste wurde vom damaligen Präsidenten George W. Bush nach den Terrorattacken vom 11. September 2001 eingeführt. Zeitweise standen rund zwei Dutzend Kandidaten darauf. Im vergangenen Dezember scheiterte Al-Awlakis Vater mit einer Klage dagegen, dass sein Sohn gezielt getötet werden soll. Ein Bezirksgericht in Washington wies ihn ab: Es gehe hier um eine „politische Frage“, über die nicht Richter zu entscheiden hätten.