„Ich habe den Blutgeruch noch in der Nase“

„Ich habe den Blutgeruch noch in der Nase“
(AFP/Fethi Belaid)

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Augenzeugen berichten von "Panik" an Hotelstrand beim Attentat in Tunesien. Hunderte Menschen fliehen beim Anschlag mit mindestens 37 Toten.

Ein britischer Tourist, der zum Zeitpunkt des Anschlags auf das Hotel Marhaba am Freitag in der tunesischen Stadt Sousse am Strand einer benachbarten Anlage war, hat von einer „Panik“ unter den Anwesenden berichtet. „Mein 22-jähriger Sohn ging gerade ins Wasser“, sagte der aus Bristol stammende Gary Pine am Freitag in einem Telefonat mit dem britischen TV-Sender Sky News. „Plötzlich haben wir hundert Meter weiter links ein Geräusch wie von Böllern gehört“, sagte Pine.

Bei dem Angriff wurden mindestens 37 Menschen getötet, darunter auch mehrere Touristen. Schnell hätten die mehreren hundert Menschen am Strand aber begriffen, dass es sich bei den vermeintlichen Knallfröschen um Schüsse handelte und seien vom Strand geflohen. „Es gab eine Panik“, sagte Pine weiter. Er schätzte, „20 oder 30 Schüsse“ gehört zu haben, die „aus dem Nichts“ gekommen seien. Pine und seine Frau hätten dem Sohn zugerufen, schleunigst aus dem Wasser zu kommen. Der junge Mann erzählte seinen Eltern daraufhin, er habe gesehen, wie am Strand jemand niedergeschossen worden sei. „Als wir wieder im Hotel waren, haben wir in der Anlage nebenan eine Explosion gehört“, sagte der Brite.

Als die Sicherheitskräfte im Nachbarhotel eintreffen, wo der junge Terrorist einen Urlauber nach dem anderen erschießt, flüchten sich auch mehrere Touristen aus Deutschland in Pines Hotel. Sie rufen auf Deutsch: „Polizei, Polizei!“

„Totenstille“

Während seines Telefonates mit dem Sender habe in der Lobby seines an den Ort des Anschlag angrenzenden Hotels „Totenstille“ geherrscht, sagte Pine. Er und die rund 200 weiteren internationalen Touristen hätten „die Vögel singen hören“ können. Die Hotelleitung habe die Gäste zunächst angewiesen, sich in ihren Zimmern einzuschließen. Kurz darauf seien sie jedoch in Lobby gerufen worden. Unter den Anwesenden herrschte demnach große Unsicherheit, was als nächstes geschehen solle. „Gehen wir weg? Bleiben wir hier? Wo sollen wir hin? Was sollen wir tun?“, fragte der Augenzeuge am Telefon.

Die Irin Elizabeth O’Brien, die mit ihren beiden Söhnen in Sousse Urlaub machte, teilte dem irischen Radiosender RTE telefonisch ihre Eindrücke mit. Auch sie dachte zunächst, am Strand werde „ein Feuerwerk“ gezündet. Dann jedoch habe sie ihre Kinder gepackt und sei in Richtung Hotel gelaufen. Das Hotelpersonal habe dabei „rennt, rennt, rennt“ gerufen. Während des Telefonats hielt sich O’Brien mit den Jungen im Hotelzimmer auf: „Wir sind in unserem Zimmer gefangen…ich habe Angst“, sagte sie. Bei dem Angriff auf das Hotel in Sousse wurden 37 Menschen getötet und weitere Menschen verletzt.

Der Bericht eines deutschen Ehepaars

Ein Ehepaar aus Bayern war erst 20 Minuten zuvor im tunesischen Mittelmeerbadeort Port el-Kantaoui angekommen, da fielen die ersten Schüsse. „Der Mann hielt die Waffe am Bein und gab immer wieder ganz gezielt einzelnen Schüsse ab“, sagte der etwa 50-Jährige Tourist, der seinen Namen nicht nennen wollte. Der schwarz gekleidete Attentäter tötete zunächst Menschen am Strand und am Pool und ging dann weiter in die Hotelhalle, wie mehrere Augenzeugen berichtete.

„Er ging den Flüchtenden hinterher und erschoss einen, der sich hinter einer großen Vase versteckt hatte“, erzählt der deutsche Urlauber, der die schrecklichen Szenen gemeinsam mit seiner Frau von einer Galerie im ersten Stockwerk aus beobachtete. Der Täter – ein tunesischer Student mit schwarzem Haar und ohne Bart – sei ganz ruhig geblieben. „Er ist nicht gerannt und hat nicht geschrien.“ Nach etwa einer halben Stunde sei alles vorbei gewesen. „Wir haben noch einen Briten mit Bauchschuss erstversorgt“, sagt der Deutsche. „Was aus ihm geworden ist, wissen wir nicht. Aber den Blutgeruch habe ich noch in der Nase.“

Sie wollen nur noch weg

Ängstlich und unsicher stehen die Touristen um die Rezeption herum. Hotelmitarbeiter warnen sie davor, in die Nähe des Strandes zu gehen, wo Leichen in Badekleidung unter Sonnenschirmen aus Stroh liegen. Am Abend versammeln sich die Gäste an der Rezeption, viele haben Tränen in den Augen. Einige haben ihre Koffer gepackt und hoffen, möglichst bald abreisen zu können. An Urlaub ist in der Anlagen auch nicht mehr zu denken. Auf weißen Liegestühlen nahe der Pools liegen Leichen in schwarzen Tüchern eingehüllt. Internationale Botschaftsmitarbeiter sind angereist, um die Toten zu identifizieren.

In den Glastüren der Eingangshallen sind Einschusslöcher zu sehen. An der Auffahrt liegt ein Gartenschlauch, aus dem Wasser fließt und das Blut wegschwemmt. Auch das Ehepaar aus Bayern hofft, noch einen Flug in der Nacht zu erwischen. „Den Urlaub fortzusetzen, kommt auf keinen Fall in Frage.“

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