„Glaubhafte Beweise“ für Folter in der Türkei

„Glaubhafte Beweise“ für Folter in der Türkei
(Reuters/Osman Orsal)

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Nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei sind nach Angaben von Amnesty International Gefangene gefoltert worden.

Es gebe „glaubhafte Beweise“ für die Folter von Festgenommenen in offiziellen und inoffiziellen Haftzentren, erklärte die Menschenrechtsorganisation am Sonntag. Die Regierung in Ankara ordnete unterdessen die Schließung von tausenden Einrichtungen an, die zur Gülen-Bewegung gehören sollen. In Istanbul demonstrierten zehntausende Menschen für den Erhalt der Demokratie. Gefangene würden von der türkischen Polizei in Ankara und Istanbul „in schmerzhaften Positionen über einen Zeitraum von bis zu 48 Stunden“ festgehalten, erklärte Amnesty in London. Es gebe Fälle von Schlägen, Folter und Vergewaltigung. Amnesty-Europadirektor John Dalhuisen rief die türkischen Behörden auf, „diese abscheulichen Praktiken“ einzustellen.

Ein türkischer Regierungsvertreter wies die Vorwürfe „kategorisch“ zurück. Menschenrechtsgruppen sollten das Vorgehen der Behörden „unparteiisch“ schildern. Vorgegangen werde gegen jene, die während des Putsches „250 Zivilisten kaltblütig ermordet haben“, fügte der Regierungsvertreter hinzu. Seit dem Putschversuch wurden in der Türkei nach Regierungsangaben mehr als 13.000 Menschen in Gewahrsam genommen, darunter gut 8800 Armeeangehörige, fast 1500 Polizisten und 2100 Richter und Staatsanwälte.

Regieren per Dekret

Laut einem neuen Dekret der Regierung dürfen Verdächtige künftig auch ohne Anklage bis zu 30 Tage festgehalten werden. Außerdem weist das Dekret die Entlassung sämtlicher Staatsbediensteter an, die zu „Terrororganisationen“ oder Gruppen gehören, welche „gegen die nationale Sicherheit handeln“. Der am Mittwochabend ausgerufene dreimonatige Ausnahmezustand erlaubt der Regierung, per Dekret zu regieren.

Präsident Recep Tayyip Erdogan beschuldigt den in den USA lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen und seine Anhänger, hinter dem Umsturzversuch vom 15. Juli zu stehen. Gülen weist dies zurück. Seit dem Putschversuch geht die islamisch-konservative Regierung mit aller Härte gegen Gülen-Anhänger vor. Die US-Regierung wisse, das Gülen „hinter dem Putsch steht“, sagte Justizminister Bekir Bozdag am Sonntag.

Demonstration für die Demokratie

Der Europa-Minister Ömer Celik sagte, die Gülen-Bewegung sei „brutaler“ als die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat. Agrarminister Faruk Celik sagte, „diese Leute als Tiere zu bezeichnen, ist hochgradig beleidigend für Tiere“. Am Samstag wurden auch ein Neffe des 75-jährigen Predigers, Muhammet Sait Gülen, sowie die angebliche rechte Hand Gülens in der Türkei, Halis Hanci, festgenommen. Hanci, der in der Schwarzmeer-Provinz Trabzon verhaftet wurde, soll in der Gülen-Bewegung für Finanztransfers zuständig gewesen sein.

In Istanbul demonstrierten am Sonntagabend zehntausende Anhänger und Gegner Erdogans gemeinsam für den Erhalt der Demokratie. Die sozialdemokratische Oppositionspartei CHP hatte zu der Kundgebung aufgerufen. Die Regierungspartei AKP, deren Anhänger bereits seit Tagen zu Zehntausenden auf die Straße gehen, schloss sich dem Aufruf an. Die Demonstranten schwenkten gut eine Woche nach dem gescheiterten Putschversuch am Taksim-Platz unzählige rote türkische Nationalflaggen. Daneben dominierten Porträts des Republik-Gründers Mustapha Kemal Atatürk, der ein laizistisches Staatskonzept verfolgte. „Wir verteidigen die Republik und die Demokratie“, „Die Souveränität gehört ohne Vorbedingungen dem Volk“, „Nein zum Staatsstreich – Ja zur Demokratie“, hieß es auf Spruchbändern.