Generation Terror – und wie mit ihr umzugehen ist

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Europa steht vor einer neuen Terrorwelle, die uns noch eine Generation beschäftigen wird. Das ist eine der Thesen von Peter Neumann. Wir unterhielten uns mit dem Experten für islamistischen Terror.

Peter Neumann wurde Anfang 2017 zum Terror-Sonderbeauftragten der OSZE ernannt. Neumann weiß also, wovon er spricht, wenn es um Rückkehrer geht, um Gefährder, Deradikalisierungsversuche und staatliche Repression. Im Tageblatt-Interview warnt Neumann Europa vor einer neuen Terrorwelle, zeigt aber auch Wege auf, wie mit gefährlichen Dschihadisten umgegangen werden kann.

Die Palette an Eingreifmöglichkeiten sei breit, sagt Neumann. Nur müssten sich die Staaten klar werden, was in den Köpfen der einzelnen Gefährder ablaufe. Nicht jeden könne man ins Gefängnis stecken. Deswegen plädiert der Politologe für eine tiefere Analyse. Darauf basierend müsse ein Staat ein Instrumentarium entwickeln, „damit er unterscheiden kann zwischen gefährlichen Rückkehrern, desillusionierten Rückkehrern und jenen, die möglicherweise nicht ideologisch gehandelt haben, aber dermaßen brutalisiert sind, dass sie trotzdem eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen“.

„Generation, die sich vernetzt und radikalisiert hat“

Handeln ist wichtig. Denn die Ideen des Islamischen Staates sind in den Köpfen drin. Selbst wenn der Konflikt in Syrien morgen enden würde, sagt Neumann, „haben wir trotzdem 30.000 Menschen aus aller Welt, die sich dort vernetzt haben und die nach wir vor an die Ideen glauben“. Das sei „eine ganze Generation, die sich vernetzt und radikalisiert hat“.
Staaten könnten auch vorbeugende Maßnahmen in Betracht ziehen wie Fußfessel oder Hausarrest. Dies bei Menschen, von denen man annimmt, sie sind gefährlich, die aber noch keine Straftat begangen haben. Neumann vergisst nicht, darauf hinzuweisen, wie heikel dies für einen Rechtsstaat sein kann, denn: „Was ist die Schwelle dafür, dass man solche Maßnahmen setzen kann?“

Dass Terrorismusverfolgung bislang fast ausschließlich Sache der Polizei war und ist, hält Neumann für einen „Denkfehler“, da die Rolle der Integration hier nicht zum Tragen komme. Mit dem Finger zeigt der 1974 geborene Deutsche besonders auf fehlgeschlagene Integrationsmodelle in Frankreich und Belgien. „Dort gibt es Parallelgesellschaften von Kindern und Kindeskindern jener Migranten, die vor 60 Jahren nach Europa gekommen sind. Diese Menschen sind immer noch nicht in der europäischen Gesellschaft angekommen.“ Extremistische Rekrutierer hätten in einem solchen Umfeld oft leichtes Spiel.

Deradikalisierung nutzt nur bei Zweiflern

Neumann weiß, dass nicht jeder, der in extreme Milieus abrutscht oder aus Syrien zurückkommt, deradikalisiert werden kann. Das sei kein „Allheilmittel“. Trotzdem schätzt er den Nutzen solcher Maßnahmen hoch, präzisiert aber: „Man kann sich das nicht so vorstellen, dass man hypnotisiert wird und dann als liberaler Demokrat wieder herauskommt – so funktioniert das nicht. Deradikalisierung funktioniert nur dann, wenn die Person schon Zweifel und Fragen hat.“

Für einen Skandal hält Neumann das Versagen der europäischen Geheimdienste, die weiterhin nicht ausreichend kooperieren. Er beklagt, „dass es in Europa nach wie vor keine zentrale Datei gibt, wo jedes Land seine Terrorgefährder meldet“. Als Konsequenz aus der der Reisefreiheit in Europa, die Neumann sehr schätzt, müsse dafür gesorgt werden, dass die Sicherheitsbehörden miteinander kooperieren.

Was Peter Neumann mit falsch verstandener Laizität in Frankreichs Gefängnissen meint, was die heutigen IS-Kämpfer mit dem Afghanistan der 1980er verbindet, wieso der Glaube vieler Extremisten an das „Kalifat“ langsam bröckelt – all das und mehr im ausführlichen Interview in Tageblatt-Print und im E-Paper vom Donnerstag, dem 23. Februar.