Französische Linke im Freudentaumel

Französische Linke im Freudentaumel
(AP)

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Die französische Linke feiert den langersehnten Wahlsieg. Vom zukünftigen Präsidenten François Hollande erhofft sie sich einen klaren politischen Richtungswechsel. Allerdings steckt Konfliktpotenzial dahinter.

Frankreichs künftiger Präsident François Hollande hat sich in der Nacht zum Montag von Zehntausenden Anhängern in Paris feiern lassen. Der 57 Jahre alte Sozialist erschien um kurz vor 1.00 Uhr zu einer riesigen Freiluft-Party auf dem geschichtsträchtigen Bastille-Platz und dankte seinen Wählern für das Vertrauen. Am selben Ort hatte 1789 die Französische Revolution ihren Anfang genommen.

Mit Spannung wurde am Montagmorgen die Reaktion der europäischen Börsen auf den Linksrutsch in Frankreich erwartet. Hollande plädiert für einen deutlich weniger harten Sparkurs in der Eurokrise. In ganz Europa. „Der 6. Mai wird ein neuer Start für Europa sein, eine neue Hoffnung für die Welt“, sagte er in seiner ersten Rede nach dem Wahlsieg gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy.

Neues Zeitalter

Mit François Hollande wird erstmals seit dem Ende der Mitterrand-Ära vor 17 Jahren wieder ein Sozialist Präsident in Frankreich. Der langjährige Parteivorsitzende gewann am Sonntag deutlich die Stichwahl gegen Sarkozy. Hollande hat die Präsidentenwahl in Frankreich nach dem vorläufigen offiziellen Endergebnis mit 51,62 Prozent der Stimmen gewonnen. Amtsinhaber Nicolas Sarkozy erreichte 48,38 Prozent, wie das Innenministerium am Montagvormittag in Paris mitteilte. Die Wahlbeteiligung unter den rund 46 Millionen Stimmberechtigten lag bei 80,34 Prozent.

„Der Wandel beginnt jetzt!“, rief Hollande am Abend in seiner umjubelten ersten Rede als gewählter Präsident. In seinem Wahlkreis Tulle (Zentralfrankreich) sprach er von einem Signal an Europa und rief zur Einigung auf. Seine Amtszeit wolle er an Erfolgen in den Bereichen Jugend und Gerechtigkeit messen lassen.

Der Konservative Sarkozy gestand seine Niederlage ein und rief seine Anhänger dazu auf, den neu gewählten Präsidenten zu achten. „François Hollande ist Präsident der Republik und muss respektiert werden.“ Er habe ihm in einem Telefonat Glück gewünscht, sagte ein müde wirkender Sarkozy in Paris vor enttäuschten Anhängern. Er will sich aus der Politik zurückziehen, wie er vorher schon angekündigt hatte.

Glückwünsche für Hollande

Viele Politiker weltweit stellten in ihren Glückwünschen das Thema Kooperation heraus. Er wolle mit Hollande in Wirtschafts- und Sicherheitsfragen eng zusammenarbeiten, sagte beispielsweise US-Präsident Barack Obama nach Angaben des Weißen Hauses. In einem ersten Telefongespräch hätten Hollande und Obama die Wichtigkeit der Allianz zwischen den Völkern Frankreichs und der USA betont, hieß es. Obama habe Hollande eingeladen, ihn noch vor dem Gipfel der G8-Staaten in Camp David und dem anschließenden Nato-Gipfel in Chicago Mitte Mai im Weißen Haus zu besuchen.

Hollande erhielt noch am Wahlabend eine Einladung der Bundesregierung nach Berlin. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel habe den Sozialisten angerufen und ihm zu seinem Wahlsieg gratuliert, teilte ihr Sprecher mit. Merkel habe Hollande eingeladen, möglichst bald nach seiner Amtseinführung nach Berlin zu kommen.

Sarkozy: Der unpopulärste Staatschef

Sarkozy galt zuletzt als der unpopulärste Staatschef seit Einführung der Direktwahl des Präsidenten 1958.

In Paris und in Hollandes Wahlkreis Tulle gab es spontane Jubelfeiern und Autokorsos. In der Hauptstadt versammelten sich Zehntausende Hollande-Anhänger auf dem Bastille-Platz. An der gleichen Stelle – dem Symbol der französischen Revolution – hatte 1981 Frankreichs Linke den Sieg François Mitterrands gefeiert. Er war der erste sozialistische Präsident der 1958 gegründeten Fünften Republik.

„Was für Emotionen heute Abend, wir haben so lange gewartet“, erklärte die Chefin der Sozialistischen Partei (PS), Martine Aubry nach Bekanntgabe der Ergebnisse. Außenminister Alain Juppé, der Hollande zu seinem Wahlsieg gratulierte, gab zu: „Das ist kein Tsunami, aber eine Niederlage.“

Für ein sozialeres Europa

Im Ausland wird mit Spannung erwartet, welche Auswirkungen der Machtwechsel in Paris auf die Europa- und Wirtschaftspolitik des Landes haben wird. Hollande, der in den kommenden fünf Jahren die Geschicke der zweitgrößten europäischen Volkswirtschaft lenken wird, hatte im Wahlkampf für ein sozialeres Europa geworben.

Der Sozialistenchef hat angekündigt, den mühsam geschnürten EU-Fiskalpakt neu verhandeln zu wollen. In konservativ regierten Staaten wie Deutschland wird dies allerdings strikt abgelehnt. „Sparpolitik darf kein Verhängnis für Europa sein“, sagte Hollande bei seiner Rede in Tulle, zu der er mit seiner Lebensgefährtin Valérie Trierweiler kam.

Konfliktpotenzial

Internationales Konfliktpotenzial bergen auch Hollandes Pläne für einen vorzeitigen Abzug der französischen Truppen aus Afghanistan. Er will sie entgegen Abmachungen mit den Verbündeten bereits Ende 2012 heimholen.

Im Bereich der Innenpolitik müssen sich Banken und Spitzenverdiener auf harte Zeiten gefasst machen. Der langjährige Vorsitzende der Parti Socialiste (PS) hat die Finanzwelt offen zu seinem „Gegner“ erklärt. Auf Topeinkommen sollen künftig bis zu 75 Prozent Steuern fällig werden.