Feinde sitzen sich am Genfer See gegenüber

Feinde sitzen sich am Genfer See gegenüber
(AFP)

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Am Dienstag sitzen sich Syriens Führung und Exil-Opposition bei der internationalen Konferenz am Genfer See gegenüber. Doch die Hoffnungen, dass Regierung und Opposition die tiefen Gräben zwischen ihnen überwinden, sind gedämpft.

An Konfliktpotenzial mangelt es der bevorstehenden Friedenskonferenz für Syrien wahrlich nicht. Wer ab Mittwoch bei dem Treffen am Genfer See dabei sein soll, ob Vorbedingungen zulässig sind, was mit Machthaber Baschar al-Assad passiert – all das ist höchst umstritten. Die ausländischen Mächte wollen ihre Interessen wahren, unversöhnlich gegenüber stehen sich aber vor allem Syriens Regierung und Opposition. Die Unterhändler beider Konfliktparteien erwartet eine Mammutaufgabe, wenn sie tatsächlich einen Kompromiss zustandebringen wollen.

Zum ersten direkten Aufeinandertreffen der Anhänger und Gegner Assads kommt es wohl am Freitag in Genf. Die 16-köpfige syrische Regierungsdelegation wird dabei angeführt von drei markanten Persönlichkeiten: Leiter ist der langjährige Außenminister Walid al-Muallim, ehemals Botschafter in den Vereinigten Staaten und heute eines der bekanntesten Gesichter der vom Westen geächteten Führung in Damaskus.

Nervenstark und kaltblütig

Er gilt als harter Verhandlungspartner, der auch in Momenten höchster Anspannung nervenstark und kaltblütig agiert.
Informationsminister Omran al-Sohbi kam erst nach Beginn des Bürgerkriegs ans Ruder, schlug jedoch sofort einen schärferen Ton gegen die syrische Opposition und deren Verbündete an, die in Staatsmedien zumeist pauschal als „Terroristen“ bezeichnet werden. Vergleichsweise moderat tritt die Präsidentenberaterin und promovierte Anglistin Bathaina Schaaban auf. Sie begann ihre Karriere als persönliche Dolmetscherin des langjährigen Herrschers Hafes al-Assad und arbeitete sich nach dessen Tod im Machtapparat seines Sohnes Baschar nach oben.

International halten Assad vor allem Russland und Iran die Treue, mit Abstrichen auch China. Der geschlossen wirkenden Regierungsdelegation wiederum steht eine völlig zersplitterte Oppositionsbewegung gegenüber. Die meisten ihrer Vertreter gehören der Syrischen Nationalen Koalition an, allerdings sind auch weitere Rebellengruppen dabei, die jeweils unterschiedliche Ziele verfolgen.

Zerstrittene Opposition

Als die Nationale Koalition am Samstag in Istanbul mit 58 zu 14 Stimmen ihre Teilnahme an der Friedenskonferenz beschloss, boykottierten 45 Bündnismitglieder die Wahl. Der Syrische Nationalrat (SNR) als größte Einzelgruppe kündigte aus Protest seinen Rückzug an. „Die ganze Idee hinter Genf ist ein Fehler“, sagte ein SNR-Sprecher. „Die Forderungen des syrischen Regimes und der Opposition sollen einander angenähert und beide Seiten gleich behandelt werden. Das lehnen wir ab.“

Salman Shaikh vom Brookings Doha Center hält den Rückzug des SNR für Kalkül, um sich auf ein Scheitern der Genfer Gespräche vorzubereiten. „Wenn die Koalition dort auf die Nase fällt, werden verschiedene Gruppen um die neu zu vergebende Führungsrolle rangeln“, sagt Shaikh. Der Nationalrat sei dann fein raus. Außerdem hätten sowohl der SNR als auch die ihm zugehörige Muslimbruderschaft einzelne Vertreter in der Koalition behalten, sodass der Nationalrat auch bei einem Erfolg der Vermittlungsgespräche in der Schweiz indirekt mit am Tisch säße.

Unterstützer beider Parteien

Experten erinnern zudem daran, dass nicht nur die Opposition, sondern auch ihre ausländischen Unterstützer zerstritten seien. Assad sitze politisch und militärisch auch wieder fester im Sattel als im Sommer 2012. Damals wurden bei der Vorgängerkonferenz „Genf I“ eine Waffenruhe und die Bildung einer Übergangsregierung mit Oppositionsvertretern als Ziel vereinbart. Umgesetzt wurde das Abkommen nie, größter Streitpunkt blieb die Frage, ob der Assad-Clan geschlossen abtreten muss.

Genau darauf will die Opposition bei den „Genf II“-Verhandlungen kategorisch bestehen. Das Enttäuschungspotenzial ist also groß, nach fast drei Jahren Blutvergießen mit schätzungsweise mehr als 130.000 Toten gibt es aber auch viel zu gewinnen. Sicher ist bloß eins: Das Ergebnis der Gespräche wird keine Bürgerkriegspartei kalt lassen.