„Erst einmal herrschte Stillstand“

„Erst einmal herrschte Stillstand“
(Upload)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Escher Bürgermeisterin erklärt im Tageblatt-Interview, wie es zum Streit um den Südgemeinden-Arbeiterkollektivvertrag kam und wie es nun weitergeht.

Der sogenannte Südgemeinden-Arbeiterkollektivvertrag hat in den vergangenen Monaten für viele Diskussionen gesorgt. Wie kam es dazu?

Vera Spautz: Den Kollektivvertrag für die Arbeiter der Südgemeinden gibt es seit rund 50 Jahren. Traditionsgemäß führten die Verantwortlichen der Stadt Esch als größte Südgemeinde die Verhandlungen mit den Gewerkschaften. Lange Zeit wurden die Verträge ganz informell bei einem Bier und einem Kranz „Mettwurscht“ ausgehandelt.

In den vergangenen beiden Jahrzehnten haben stets die Escher Personalschöffen die Verhandlungen geführt: Erst Henri Hinterscheid, dann Muck Huss und zuletzt Dan Codello. Die Gespräche fanden innerhalb paritätischer Gruppen statt, die sich aus Vertretern der beteiligten Gemeinden und der Gewerkschaften zusammensetzten.

Seit 2008 waren aber keine Anpassungen mehr an diesem Kollektivvertrag vorgenommen worden. Im Juli vergangenen Jahres wurde dann ein Text vorgelegt, der sowohl die Vorschläge der Gewerkschaften als auch die der beteiligten Gemeinden berücksichtigte. Eigentlich war man sich einig, doch dann haben die Arbeitgeber, also die Gemeinden, auf einmal einen eigenen Text vorgelegt. Daraufhin hat der Streit begonnen.

Was stand in diesem Text?

Darin stand unter anderem, dass die Einstiegsgehälter für Reinigungskräfte um 30 Prozent gekürzt werden sollen. Der Käerjenger Bürgermeister Michel Wolter war einer der großen Verfechter dieses Textes. Viele Gemeindevertreter aus den Schöffenräten und auch aus der LSAP waren damit jedoch überhaupt nicht einverstanden. Diese Vorschläge hätten übelsten Sozialabbau bedeutet. Das wollten wir keinesfalls unterstützen.

Von der CSV und auch anderen Vertretern wurde immer wieder die Forderung gestellt, der Südgemeinden-Arbeiterkollektivvertrag müsse an den Kollektivvertrag der Staatsbeamten angepasst werden. Doch das kann man nicht miteinander vermischen. Die einen haben Vorteile, wo die anderen keine haben und umgekehrt. Es ging vor allem um „Stage“-Zeiten, die es beim Staat gibt, aber nicht bei den Gemeinden. Doch wie will man beispielsweise einer Reinigungskraft eine „Stage“-Zeit geben? Das hat doch gar keinen Sinn.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Erst einmal herrschte Stillstand. Irgendwann ist dann der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, der Escher Personalschöffe Dan Codello, zurückgetreten. Daraufhin hat die Escher LSAP die Initiative ergriffen und wieder den Dialog mit den Gewerkschaften gesucht. Es geht immerhin um 2.000 Angestellte, die seit 2009 darauf warten, dass ihr Kollektivvertrag neu verhandelt wird.

Wieso gerade die Escher LSAP?

Mit Differdingen und Düdelingen sind wir die größte Gemeinde im Süden. Wir bieten Dienste an, die kleine Gemeinden wie Koerich oder Hobscheid nicht haben. Es mussten eine ganze Reihe Anpassungen vorgenommen werden, die auch mit den Veränderungen am Arbeitsmarkt zu tun haben.

Was kam bei den Diskussionen zwischen der Escher LSAP und den Gewerkschaften heraus?

Nachdem wir uns mit den Gewerkschaften zusammengesetzt hatten, um die Knackpunkte ausfindig zu machen, haben wir einen neuen Text aufgesetzt. Dieser Text, den wir an die 18 Gemeinden verschickt haben, erhielt sowohl die Zustimmung des OGBL als auch des LCGB. Er wurde von allen LSAP-Vertretern – ob Bürgermeister, Schöffen oder Gemeinderäte – aus den jeweiligen Gemeinden unterzeichnet. Danach gab es erneut Streit. Nachdem Dan Codello im Laufe des Jahres zurückgetreten ist, habe ich die Verhandlungsführung übernommen. Sowohl der Escher Schöffenrat als auch die LSAP haben mir dieses Mandat anvertraut.

Dieser alternative Text wurde vergangene Woche insbesondere vom Käerjenger Bürgermeister Michel Wolter öffentlich kritisiert. Ist diese Kritik berechtigt?

Zumindest hatten wir Vorschläge auf den Tisch gelegt, aufgrund derer die Verhandlungen wieder beginnen konnten. In einer der letzten Verhandlungssitzungen, an der auch Michel Wolter teilgenommen hat, waren zum ersten Mal wieder 17 der 18 Gemeinden am Tisch vertreten. Dort wurde gesagt, dass der Inhalt unseres mit den Gewerkschaften ausgehandelten Textes in Ordnung sei, die Form aber nicht korrekt sei. In dieser Sitzung hat Michel Wolter selbst gemeint, dass, wenn eine Gemeinde den Text übernehmen wolle, er kein Problem damit habe.

In der Folge haben Sanem, Schifflingen, Esch und noch weitere Gemeinden sich für diesen Text ausgesprochen, was Michel Wolter dann letzte Woche wiederum kritisiert hat. Wahrscheinlich konnte er sich nicht mehr an seine Aussage in besagter Sitzung erinnern. Seitdem hat er jedenfalls auf stur geschaltet. Zu den letzten beiden Sitzungen ist er nicht mehr erschienen und hat sich dann erst wieder über die Presse zu Wort gemeldet.

Letzten Verlautbarungen zufolge könnte der Kollektivvertrag doch bald unterzeichnet werden?

In der letzten Sitzung, die vergangene Woche stattfand, hat sich das Blatt gewendet. Im Vorfeld des Treffens hatten die Gewerkschaften Gespräche mit den Verantwortlichen der Gemeinden Schifflingen, Petingen und Bettemburg geführt, um sie über die bis Juli 2015 ausgehandelten Vereinbarungen aufzuklären.

Diese Gemeinden haben erklärt, dass sie mit den Vereinbarungen einverstanden seien. Das haben sie auch in der letzten Sitzung noch einmal bestätigt, sodass wir uns praktisch einig sind.

Wie geht es jetzt weiter?

Am kommenden Dienstag treffen sich die Arbeitgeber ein weiteres Mal. Ferner wird sich eine Arbeitsgruppe mit den Anpassungen beschäftigen, um auch bei den Gemeindearbeitern sogenannte lineare Laufbahnen einzuführen, damit sie immer genau wissen, wo sie dran sind und wann eine Lohnerhöhung ansteht. Dieses System war bislang extrem kompliziert geregelt.

Weitere Themen sind die Weiterbildung und Richtlinien, wie im Falle einer beruflichen Wiedereingliederung vorzugehen ist. Eine Annäherung an die Beamtenlaufbahn soll schon angestrebt werden, aber natürlich ohne radikalen Sozialabbau zu betreiben.

Was passiert, wenn Käerjeng dem Kollektivvertrag nicht zustimmen sollte?

Der Kollektivvertrag für die Südgemeinden wird noch in diesem Jahr unterzeichnet, davon bin ich überzeugt. Anschließend müssen sämtliche betroffenen Gemeinderäte noch über den Vertrag abstimmen, damit er in Kraft treten kann.

Wenn Käerjeng den Kollektivvertrag nicht unterzeichnen sollte, wird Michel Wolter ein ernsthaftes Problem haben, seinem Gemeinderat zu vermitteln, wieso er aus dieser Solidarität aussteigt, die er stets so hoch gehalten hat. Darüber hinaus wird er seinen Angestellten erklären müssen, wieso er den Kollektivvertrag nicht unterzeichnet hat und aus welchen Gründen er für Sozialabbau ist.

Den zweiten Teil des Interviews, in dem es um die Reform der Gemeindefinanzen geht, lesen Sie in der Wochenendausgabe des Tageblatts.