Ende der Privatsphäre

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Das Projekt „Street Ghosts“ des italienischen Künstlers Paolo Cirio bildet den Auftakt des Programms des „International Kunstverein Luxembourg“ und stellt das Thema Privatsphäre in ein anderes Licht.

Vorneweg: Bei den „Street Ghosts“ handelt es sich um Aufkleber von Personen, die von Google Street View per Zufall fotografiert worden sind. Diese Fotos werden vom Künstler auf jenen Wänden und Schaufenstern reproduziert, wo die jeweilige Person abgelichtet worden ist.

Weitere Infos

„Street Ghosts“
Bis zum 15.1.17
Wo? Luxemburg-Stadt.
Eine Karte steht als PDF auf der Webseite des IKL zum Download bereit.
Web: www.kunstverein.lu

Die Vorher-Nachher-Ergebnisse kann man sich auf der Homepage des „International Kunstverein Luxembourg“ (IKL) ansehen. So wird man beim Stadtbummel in Luxemburg seit dem 15. Oktober von lebensgroßen Aufklebern überrascht.

Die Gesichter sind verpixelt, ansonsten kann man die Personen gut erkennen. Die wenigstens von ihnen wissen über ihre Präsenz bei Google Street View Bescheid. Paolo Cirio hat dieses Projekt schon in anderen Großstädten realisiert und auf Einladung des IKL nun auch Luxemburg mit an Bord genommen. Ziel ist es, so viele Städte wie möglich miteinzubeziehen. In Luxemburg befinden sich die Aufkleber vor allem im Stadtzentrum.

Der Bildschirm: eine weit entfernte Realität

Cirio hat sich vor diesem Projekt mit, wie er es ausdrückt, „internet art“ und der Frage der Privatsphäre beschäftigt. Durch die „Street Ghosts“ wird laut ihm die Privatsphäre hinterfragt. In Zeiten von Facebook, Instagram usw. gehen die meisten Leute mit ihren persönlichen Daten recht leichtfertig um.

Sein Projekt lässt die Menschen jedoch aufhorchen, meint Cirio. Die meisten würden eine Reaktion von sich geben, einige seien auch wütend auf den Künstler, dass er sie durch Aufkleber reproduziere. „Sich auf dem Bildschirm zu sehen, ist ganz anders als auf einer Wand“, gibt er zu bedenken.

Der Bildschirm sei eine andere Art von Realität und für die Leute nicht so greifbar. Sie seien sich nicht bewusst, dass sie auf Google Street View weltweit und auf einem Schaufenster in Luxemburg halt nur von den Menschen vor Ort zu sehen sind. Eine Wand sei in seinen Augen nicht so öffentlich wie das Internet. Der Kontrast zwischen der physischen und der virtuellen Realität kommt hierbei stark zum Vorschein. Mit seiner Arbeit kritisiere er außerdem Google und die Art und Weise, wie der Konzern mit persönlichen Daten umgehe.

So werde man nicht gefragt, ob man auf Google Street View erscheinen möchte oder nicht. Cirio würde mit seiner Arbeit die Grenzen von Privatsphäre zeigen. Auf die Frage hin, ob er denn selbst gerne Teil eines solchen Kunstprojektes gewesen sei, verneint der Künstler lachend, er würde es nicht wollen.

Der IKL alsneue Bildungsstätte

Dr. Sabine Dorscheid, die künstlerische Leiterin des IKL, hebt den Bildungsauftrag des Kunstvereins hervor. Er würde nur Themen behandeln, die relevant für die heutige Gesellschaft sind. Cirio verteufele nicht die neue Öffentlichkeit, sondern stelle die Probleme damit fest, sagt Dorscheid. Der Bildungsauftrag hierbei sei es, konstruktive Kritik zu geben und die Frage aufzuwerfen, wem diese Bilder gehören. Das würde in ihren Augen eine Grauzone darstellen. Gehören die Bilder Google oder der abgelichteten Person?

Das nächste Projekt des IKL geht auch in diese Richtung und behandelt die Themen neue Öffentlichkeit und die damit zusammenhängende (gefährdete?) Privatsphäre. „Follower“ ist ein Dienst von Lauren McCarthy, bei dem eine Person einen Tag lang – ähnlich wie von einem Online-Follower – verfolgt wird. Man gibt Gründe an, warum man so etwas möchte, lädt eine App herunter und wird irgendwann während eines Tages verfolgt. Am Ende bekommt man ein Foto, das hierbei gemacht wurde.

Die Künstlerin wird während dieser Zeit in Luxemburg wohnen. Auch dieses Projekt unterstreicht die Gefährdung der Privatsphäre. Wer will, kann Teil davon werden und seiner Privatsphäre auf den Zahn fühlen.