„Ein französisches Phänomen“

„Ein französisches Phänomen“
(Isabella Finzi )

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

In Frankreich hat Macron die Sozialisten von der Bühne gefegt. In Luxemburg ist das undenkbar, glaubt LSAP-Fraktionschef Alex Bodry.

Bei den französischen Wahlen fällt neben dem Sieg von Emmanuel Macron auch der historische Einbruch der sozialistischen Partei (PS) auf. Der PS wird am nächsten Sonntag von 277 Sitzen im Parlament auf unter 40 Abgeordnete fallen. Wir haben uns mit LSAP-Fraktionschef Alex Bodry unterhalten und nachgefragt, was das für die sozialistische Partei in Luxemburg bedeutet.

Wie bewerten Sie das Resultat der Sozialisten in Frankreich?

Das ist eine historische Niederlage für die sozialistische Partei in Frankreich. Sie ist in einer tiefen Krise, bei der man nicht sieht, wie sie sich in den nächsten Monaten davon erholen soll. Ein Teil der sozialistischen Wählerschaft hat sich bei Macrons Bewegung wiedergefunden. Der gemäßigte Flügel, den Hollande beim letzten Mal anziehen konnte, ist zu „République en marche“ gewechselt, genauso wie ein Teil der Kandidaten des PS. Das ändert aber nichts daran, dass die sozialistische Partei als Struktur in einer sehr schwierigen Situation ist.

Was bedeutet der Zustand der französischen sozialistischen Partei für die LSAP?

Die französische Situation ist nicht auf ein anderes Land übertragbar. Genauso wenig wie das Phänomen Macron, das zu einer Implosion des politischen Systems geführt hat. Man darf natürlich nicht vergessen, dass das französische Wahlsystem mitgespielt hat. Macrons Kandidaten haben nur etwa 32 Prozent der Stimmen bekommen. Trotzdem wird seine Partei wahrscheinlich zwei Drittel aller Abgeordneten stellen. Was passiert ist, ist also ein typisch französisches Phänomen.

Aber überall auf der Welt entwickeln sich alternative Bewegungen zu den traditionellen Parteien. Wäre das in Luxemburg undenkbar?

Ich sehe bei uns keinen Nährboden dafür. Wenn man sich die Länder ansieht, in denen solche Bewegungen entstanden sind, also beispielsweise Spanien oder Griechenland, waren das immer Länder, die in einer wirtschaftlichen und sozial schlechteren Lage waren als Luxemburg. Die Menschen in Luxemburg schätzen laut Umfragen die Situation als gut ein und finden, dass die Regierung alles im Griff hat. Ich sehe also keine Grundlage für eine massive Unzufriedenheit oder einen sozialen Bruch, der zum Erfolg einer solchen Bewegung beitragen würde.

Wie sieht es mit den sozialistischen Ideen im Allgemeinen aus? Haben sie ausgedient?

Jede Partei oder politische Bewegung muss sich anpassen. Sie muss sich treu bleiben, was ihre Grundwerte angeht. Sie muss diese aber mit der Zeit anders deklinieren. Anders ausdrücken. Dieser Wandel muss auch die LSAP schaffen. Wenn ich mir aber Großbritannien ansehe, dann merke ich, dass man mit sozialistischen Ideen ankommen kann. Corbyns Ideen mögen für Großbritannien, die an Thatcher, Blair und andere gewöhnt waren, radikal scheinen. Sein Programm ist aber eigentlich sozialdemokratisch. Es bleibt eine Frage des Überlebens für die Sozialisten, sich immer wieder für ihre Grundwerte einzusetzen und keine unnötigen Kompromisse einzugehen.