„Ein Bild des Grauens“

„Ein Bild des Grauens“
(dpa)

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Fünfte Verhandlungswoche im Luxair-Prozess. Ein ehemaliger Generaldirektor verfängt sich in Widersprüche und ein Polizist schildert vor Gericht grausige Details zu dem Unfall.

Am Montag wurde noch einmal der Pilot der Unglücksmaschine, Claude Poeckes, in den Zeugenstand gerufen. Er wurde zum Anflugswinkel auf den Flughafen befragt. Richter Prosper Klein begründete: „Ein steile Landeanflug müsse vom Tower genehmigt werden und ein solcher Anflug werde in Luxemburg eigentlich nie geflogen.“ Der Pilot konnte keine genauen Angaben dazu machen.

Dem Piloten Claude Poeckes wird vorgeworfen grob fahrlässig gehandelt und die Vorschriften nicht eingehalten zu haben. Beim Fokker-Crash vom 6. November 2002 bei Niederanven starben 20 Menschen.

Details von der Unglücksstelle

Anschliessend wurde ein Polizeibeamter angehört, der einer der ersten an der Unglückstelle war. Ihm bot sich nach eigenen Angaben ein Bild des Grauens. Er berichtete, wie er kontrollierte, ob Passagiere der Unglücksmaschine noch lebten oder bereits tot waren. Bei Überlebenden leistete er vor Ort erste Hilfe. Kurz danach trafen die ersten Rettungkräfte ein. Sie versuchten, in das Flugzeug zu gelangen.

Der Beamte zog unter anderem die Stewardess aus dem Wrack. Er war es auch, der den Piloten barg. Er bestätigte, dass Poeckes seinen kompletten Gurt angelegt hatte, der Co-Pilot, der tot war, jedoch nicht. Er trug nur den Beckengurt. Der Zeuge glaubt nicht, dass der Gurt sich beim Aufschlag gelöst hatte. Als der Polizist den Piloten fragte, ob er wisse wo er war und von wo er kam, konnte dieser sich an nichts erinnern.

Widersprüchliche Aussagen zum Schubhebel

Anschliessend wurde der langjährige Luxair-Generaldirektor Roger Sietzen in den Zeugenstand gerufen. Der Angeklagte bestätigte die Aussagen der anderen Generaldirektoren, dass die Sicherheitsstandarts bei der Luxair erst später umgesetzt wurden. „Dies habe die Sicherheit der Flieger jedoch nie beeinflusst,“ betonte er vor Gericht.

Wusste er etwas über die Warnungen, die ab 1992 im Zusammenhang mit dem Schubhebel zirkulierten? Er habe keine technischen Kenntnisse und nur wenig Informationen aus dem operationellen Bereich. Er stellte lediglich sicher, dass die Ratschläge und Richtlinien von den betroffenen Abteilungen umgesetzt wurden, verteidigte sich Sietzen. Er arbeitete damals sehr eng mit dem Büro zusammen, das sich um die technischen und operationellen Fragen kümmerte. Er wurde aber nie über Schwierigkeiten mit dem Schubhebel informiert. Die Modifikation bei der Fokker 50 hätte jedoch die Chefetage erreichen müssen, da sie sicherheitstechnisch relevant war, betonte Sietzen.

Der Anwalt des Piloten erinnerte den Angeklagten Sietzen daran, dass er beim Untersuchungsrichter ausgesagt hätte, er hätte mit dem technischen Direktor über das Schubhebelproblem gesprochen. Ein anderer Anwalt sagte, Roger Sietzen hätte ausgesagt, dass er bei der Behandlung der „Service-bulletins“ und „Service-letters“ mündlich eine systematische interne Analyse angeordnet hätte. Der Angeklagte konnte sich am Montag allerdings weder an das eine, noch an das andere erinnern.

Technischer Direktor nicht informiert

Anschließend war es an Marc Gallowtich auszusagen. Er war 2002 technischer Direktor bei der Luxair. Erst nach dem Crash habe er von den schriftlichen Warnungen den Schubhebel betreffend erfahren. Weder die „Service-bulletins“ noch die „Service-letter“ seien an ihn übermittelt worden. Die Ingenieursabteilung habe die Dokumente erhalten und sie anschließend an andere Personen verteilt, darunter die Flottenchefs, aber nicht an ihn. Auch die Abteilung „Operations“ sei auf dem Laufenden gewesen.

Man sei immer davon ausgegangen, dass die Flugtauglichkeit durch das Fehlen von zwei Dioden und zwei Widerständen nicht beeinträchtigt war. Das Problem sei von Fokker verharmlost worden. Da die Mitteilung des Flugzeugherstellers keinen zwingenden Charakter hatte, hätte man in der Ingenieursabteilung nicht die Notwendigkeit einer Modifizierung gesehen, betonte Marc Gallowitch. „Hätte man nicht die eventuellen Risiken sehen müssen, auch wenn der Einbau eines weiteren Sicherheitssystems nur optional war?“, fragte Richter Klein. „Wir waren uns der Tragweite der Warnungen nicht bewusst“, erklärte der Angeklagte. Fragen müsse man sich immer stellen, wenn man Ratschläge vom Flugzeugbauer erhält. Aber die 1992, 1994 und 1998 erhaltenen Informationen seien eher unbestimmt gewesen. Und der Flugzeugbetreiber könne nicht einfach so in die Konfiguration des Fliegers eingreifen. Daraufhin Prosper Klein: „Hätte man nicht bei Fokker die notwendigen Einzelheiten nachfragen können?“ „Ja, aber diese Vorgehensweise war nicht üblich“, kam es aus dem Zeugenstand.

Flugtauglichkeit nicht betroffen

Nur bei Fragen, welche unmittelbar die Flugtauglichkeit betreffe, sei Rücksprache gehalten worden. Hier sei das aber nicht der Fall gewesen. Die Flieger waren auch ohne das zusätzliche Sicherheistsystem absolut flugfähig. Die Modifikation sei eher als „Upgrade“ angesehen worden. Wenn er die Dokumente von Fokker gesehen hätte, hätte er die Modifikation wahrscheinlich angeordnet, erklärte Gallowitch, der betonte, dass Fokker einige Jahre vor ihrem Bankrott 1996 vorsätzlich nur wenige „Sicherheitshinweise“ herausgegeben hätte, um seine Verkaufschancen nicht zu gefährden.

Das Einlegen des Rückschubs wird als eine der Hauptursachen für den Crash angesehen. Nun stellt sich die Frage, ob durch den Einbau eines dritten Stopps die Katastrophe hätte verhindert werden können. Fokker steht nicht vor Gericht, wird aber beschuldigt, die Risiken verharmlost zu haben und den Einbau eines weiteren Sicherheitssystems nicht obligatorisch gemacht zu haben.

Am Dienstag geht die Befragung des Angeklagten Marc Gallowitch weiter.