EU sucht nach Alternativen

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Den Finanzsektor an den Kosten der Krise beteiligen - so lautet das Ziel einer Steuer auf Börsengeschäfte. Doch die EU ist in dieser Frage tief zerstritten. Finanzminister Luc Frieden will nur eine Steuer zusammen mit London.

Die unter anderem von Frankreich und Deuschland geforderte Einführung einer Steuer auf Finanzgeschäfte in der gesamten EU wird immer unwahrscheinlicher. Angesichts der Blockade von Großbritannien suchen die Länder nun nach neuen Wegen – das könnte möglicherweise eine andere Form der Besteuerung oder eine Lösung im kleineren Kreis sein. „Da gibt es ganz viele verschiedene Instrumente“, sagte Dänemarks Wirtschaftsministerin Margrethe Vestager am Dienstag nach Beratung der EU-Finanzminister in Brüssel.

Stempelsteuer

Als Beispiel nannte Vestager die britische Aktiensteuer („Stempelsteuer“), die aber weniger Geschäfte umfasst, oder eine Steuer nur auf Profite und Boni von Finanzinstituten. Dänemark führt derzeit den Vorsitz im Ministerrat. Der deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich offen, notfalls auch ohne Großbritannien voranzugehen: „Wenn auf europäischer Ebene keine Lösung zu finden ist, dann glaube ich, müssen wir uns nach Alternativen umsehen. Denn dass nichts dabei herauskommt, das wäre eine Katastrophe.“

Bis Juni sollen EU-Kommission und Dänemark nun Kompromisse ausloten. Die Verhandlungen dürften sich schwierig gestalten – zu unterschiedlich sind die Positionen. Während Deutschland und Frankreich auf die Finanztransaktionssteuer dringen, lehnt Großbritannien sie aus Furcht um seinen Finanzplatz London strikt ab. Auch Schweden ist dagegen; Luxemburg und Irland haben Bedenken. In der EU müssen Steuerfragen einstimmig beschlossen werden.

57 Milliarden Euro jährlich

Weiter auf dem Tisch liegt der Vorschlag der EU-Kommission, wonach die Steuer von 2014 an EU-weit kommen und jährlich rund 57 Milliarden Euro einbringen soll. Sie würde beim Kauf von Anleihen, Aktien, bei Währungsgeschäften sowie spekulativen Finanzprodukten (Derivaten) anfallen. Der Steuersatz soll bei 0,1 Prozent bei Anleihen und Aktien und 0,01 Prozent bei Derivaten.

Seit Jahren wird in der EU über solche eine Steuer diskutiert, doch in der Schuldenkrise hat die Debatte wieder Fahrt aufgenommen. Sie gilt als Mittel, um Spekulationsgeschäfte einzudämmen.

Neun Länder wollen die Steuer

Deutschland und Frankreich drücken aufs Tempo. In einem Brief an die dänische EU-Ratspräsidentschaft hatten neun Staaten – Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal und Spanien – eine Entscheidung bis Sommer verlangt. Frankreich hat bereits beschlossen, ab August im Alleingang eine solche Steuer einzuführen. Frankreichs oberster Kassenhüter François Baroin sagte: „Was zählt ist das, was möglich ist.“

Deutschland könnte sich auch mit einer Steuer in den 17 Euro-Ländern anfreunden, allerdings wäre dann der größte Finanzplatz London nicht erfasst. Luxemburgs Minister Luc Frieden hält das für keine gute Lösung: „Ist es sinnvoll, eine solche Steuer einzuführen in einer begrenzten Anzahl von europäischen Ländern, in dem Wissen, dass das größte Finanzzentrum Europas – nämlich London – eine solche Steuer nicht will? Meine Antwort auf diese Fragen ist negativ.“

Luc Frieden: Keine Steuer ohne London

Gegner fürchten, dass Banken und Fonds Steuerflucht begehen und nach Asien oder die USA abwandern könnten. Der schwedische Finanzminister Anders Borg kritisierte, dass die Steuer schlecht für das Wachstum Europas sei: „Die Steuer ist schwer zu akzeptieren.“

Bei dem Ministertreffen beschrieb der britische Staatssekretär Marc Hoban die britische Stempelsteuer als Vorbild für Europa und sagte: „Wir sind durchaus froh, wenn die anderen das auch übernehmen würden.“ In Großbritannien wird beim Handel von Aktien und Optionsscheinen die geringe „Stempelsteuer“ erhoben, der Handel mit Devisen und Derivaten wird von der Abgabe nicht erfasst.