EU macht Weg frei für engere Verteidigungspolitik

EU macht Weg frei für engere Verteidigungspolitik
(Geert Vanden Wijngaert)

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Die 28 EU-Staaten haben den Weg für eine Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik freigemacht. Zudem geht die EU auf die Türkei zu und plant ein gemeinsames Gipfeltreffen.

Der EU-Gipfel beschloss am Donnerstagabend, dass die EU dazu auch ein Hauptquartier zur Planung von zivilen und militärischen Einsätzen bekommt. Großbritannien gab den bisherigen Widerstand auf, neben der Nato auch in der EU eine engere Sicherheitskooperation zu forcieren. „Wir werden zu einer ständigen strukturierten Zusammenarbeit kommen und zwar möglichst aller Mitgliedstaaten“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Ende des Gipfels. Dieses Verfahren ermöglicht laut EU-Vertrag einer Reihe von EU-Staaten enger zusammenzuarbeiten, auch wenn andere EU-Partner dabei nicht mitgehen wollen.

Der EU-Gipfel begrüßte auch die Vorschläge der EU-Kommission zur Entwicklung einer europäischen Verteidigungsunion, um besser auf externe Gefahren reagieren zu können. In der ersten Jahreshälfte 2017 soll es Beschlüsse etwa über den Aufbau eines Verteidigungsfonds geben. Die Kommission hatte einen neuen Fonds vorgeschlagen, aus dem Militärforschung finanziert werden soll.

Seit Jahren wurde vor allem mit der britischen Regierung darüber gestritten, dass nicht nur die Nato, sondern auch die EU ein eigenes Hauptquartier für militärische und zivile Einsätze brauche. Großbritannien hatte bisher argumentiert, dass eigene EU-Kapazitäten eine Doppelung zu Nato-Einrichtungen bedeuten könnten. Dem widersprach nicht nur Merkel, sondern auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der an den Beratungen auf dem Gipfel teilnahm. „Es ist offensichtlich, dass Europa mehr tun muss, um seine internationalen Verantwortung wahrzunehmen und seine Bürger zu beschützen“, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk.

Keine Einigung gab es über den Vorschlag, dass auch die EU-Staaten die Selbstverpflichtung der Nato-Länder übernehmen sollten, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Sicherheit und Verteidigung auszugeben. Nun heißt es in der Abschlusserklärung lediglich, es müsse mehr getan werden, „einschließlich ausreichender zusätzlicher Mittel“.

EU stellt Türkei gemeinsamen Gipfel in Aussicht

Die Europäische Union strebt im kommenden Jahr einen gemeinsamen Gipfel mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan an. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte am Donnerstag, er sei mit den Vorbereitungen betraut worden. Gipfelthema würden die heiklen Beziehungen zwischen Ankara und der EU sein. Ort und Datum stünden noch nicht fest. Tusk äußerte sich nach dem Treffen der 28 Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel.

Zwischen der EU und der Türkei besteht ein Flüchtlingspakt, der den Andrang von Migranten und Flüchtlingen nach Europa eindämmen soll. Konkret sieht die Vereinbarung vor, dass Ankara auf griechischen Inseln anlandende Menschen zurücknimmt. Im Gegenzug erhält die Türkei Gelder in Milliardenhöhe, um die Flüchtlinge zu versorgen.
Doch gibt es seit dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei im Juli massive Spannungen, die sich vor allem am harschen Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen mutmaßliche Putschisten entzündet haben. Erst kürzlich äußerten EU-Staaten tiefe Besorgnis, schreckten indes vor einem formalen Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche mit Ankara zurück. Für diesen Schritt wird von Österreich favorisiert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine der Hauptarchitekten des Flüchtlingspakts, sprach sich dafür aus, den Gesprächsfaden zur Türkei nicht abreißen zu lassen. Sie denke nicht, dass Drohungen die richtige Antwort seien, erklärte sie.

EU-Gipfel verurteilt Verhalten Russlands und Irans

Die EU hat Russland und dem Iran vorgeworfen, im Syrienkrieg gezielt zivile Ziele anzugreifen. In der Abschlusserklärung des EU-Gipfels fordern die 28 EU-Regierungen zudem, dass die Kriegsparteien sofortige Hilfe für die Menschen in Aleppo und den Zugang internationaler Beobachter ermöglichen müssten. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach dem Ende des Gipfels in der Nacht zu Freitag, Kriegsverbrechen im syrischen Bürgerkrieg müssten geahndet werden.

Man habe in der „emotional sehr bewegenden“ Diskussion über Sanktionen gegen Russland gesprochen, aber keine gemeinsame Position gefunden, sagte Merkel. „Aber es war schon klar, dass auch keine Option ausgeschlossen wurde.“ In der Erklärung findet sich der Hinweis auf mögliche Sanktionen aber nicht mehr. Die Kanzlerin sprach von einem Scheitern des UN-Sicherheitsrates, was ernsthafte Fragen für die internationale Ordnung aufwerfe.

Vor allem Frankreichs Präsident Francois Hollande und die britische Premierministerin Theresa May pochten in Brüssel auf eine „robuste“ Antwort der EU auf die Situation in Aleppo. Es fehle weder an politischem Willen zur Hilfe für die Menschen in Aleppo noch an Geld, betonte Merkel. Sie forderte jedoch eine politische Lösung. Die EU werde alle diplomatischen Kanäle nutzen, um humanitäre Hilfe für die Menschen in Aleppo und eine Evakuierung zu ermöglichen. Es sei aber nicht möglich, den Konflikt in Syrien militärisch zu stoppen. Die EU-Regierungschefs trafen auch mit einem Bezirksrat aus Aleppo, Brita Hagi Hassan, zusammen, der über die Lage in der Stadt berichtete.

In der syrischen Großstadt Aleppo sind die Rebellen nach russischen Angaben aus allen Vierteln vertrieben worden. Am Donnerstag war eine Aktion zur Evakuierung der letzten Rebellenenklave in Aleppo angelaufen. Sollte sie gelingen, wäre es der bisher wichtigste Sieg für den syrischen Staatschef Baschar al-Assad.