Die fünfte Gewalt

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Im Trumpschen Zeitalter entwickelt sich Comedy zur fünften Gewalt. Ein Präsident, schlimmer als Realsatire, hievt Komiker auf eine Ebene mit der vierten Gewalt - dem Journalismus.

„Wir haben wirklich versucht, irgendwas Witziges aus dem zu machen, was da gerade abgeht. Aber wir konnten einfach nicht Schritt halten. Was da laufend passiert, ist viel irrwitziger als alles, was wir daraus machen könnten.“

Wer hätte dies für möglich gehalten? Die Macher hinter der wohl politisch inkorrektesten und teilweise köstlich geschmacklosesten Comedy-Serie geben sich geschlagen.

Matt Stone und Trey Parker, die brillanten Köpfe hinter „South Park“, wussten stets durch Übertreibung, den Bruch mit jeglicher Form von Konventionen und durch die Lust an juristischen Streitereien die Grenzen zu überschreiten.

Grenzen gab es für die beiden Herren eigentlich keine. Ihr konstanter Kampf um Rede- und Meinungsfreiheit ist mit Blick auf ihre internationale Rezeption einmalig.

„Satire zur Realität geworden“

Wer mit Fäkalwitzen und politisch pointierten Botschaften Zehnjährige und Zeitgenossen über 40 begeistern kann, dürfte sich demnach über die Wahl von Donald Trump freuen.

Doch dem ist nicht so. „Satire ist ja gerade zur Realität geworden“, antworteten die beiden jüngst in einem Interview. Es spricht Bände über die Veränderung der Rolle von Satire und von Comedy im weitesten Sinne: Trump entlarvt sich selbst dermaßen, dass es nicht mehr darum geht, den Präsidenten durch den Kakao zu ziehen.

Gerade deswegen scheitern momentan Formate wie „South Park“, die einst auf Übertreibung setzten. Wie kann man jemanden wie Trump mit seinem „Grab them by the pussy“ an Vulgarität und Stupidität überbieten? Eben. Gar nicht.

Gerade deswegen funktionieren satirische Late-Night-Talks wie „The Late Show with Stephen Colbert“ oder „Last Week Tonight With John Oliver“, weil sie Humor zwar zum Teil in bekannter Manier als Mittel der Denunziation benutzen.

Gastauftritte von Alec Baldwin

Allerdings zeigt besonders eine Sendung, weshalb sich Einfluss und Macht von Satire und Comedy drastisch verändert haben.
Der amtierende US-Präsident reagiert seit dem Wahlkampf jede Woche dünnhäutig auf die Komiker von „Saturday Night Live“ (SNL).

Die 1975 zum ersten Mal ausgestrahlte Comedy-Show ist eine Institution des amerikanischen TV-Entertainments. Während die Sendung über die Jahre immer wieder ins Mittelmaß abrutschte, übertrifft sie sich derzeit von Woche zu Woche.

Dies hat zum Teil mit den brillanten Skripts, den Glanzleistungen der SNL-Komiker wie Kate McKinnon, aber vor allem mit den Gastauftritten von Schauspielern wie Alec Baldwin zu tun. Er treibt etwa den US-Präsidenten mit seiner Trump-Imitation zur Weißglut.

Und genau hierin liegt die Macht der fünften Gewalt: Der Commander-in-Chief nimmt sich jeden Samstagabend Zeit, auf eine Comedy-Sendung zu reagieren. Mittlerweile ist SNL so weit, dass selbst Trumps Pressesprecher Sean Spicer um seinen Job bangen muss, nachdem er zwei Wochen hintereinander in Einzelteile zerlegt wurde.

Melissa McCarthy als Spicer

Melissa McCarthy machte zweimal den Spicer, der zu „Spicey“ wurde und die Schwächen von Trumps Nummer eins in Sachen Öffentlichkeitsarbeit gnadenlos offenlegte.

Im jüngsten Sketch fährt McCarthy in Spicer-Verkleidung mit ihrem Rednerpult durch die Journalisten und will sie dem Erdboden gleichmachen.

Für die breite Masse ist diese Form von Comedy ein Genuss. Besonders kritische Zeitgenossen nörgeln, sie sei zu platt und einfallslos.

Doch darum geht es nicht. Comedy-Formaten wie SNL gelingt es, Trump zumindest symbolisch in die Knie zu zwingen, weil sie im Gegensatz zum Journalismus nicht auf die direkte Interaktion mit Trumps Team und Politikern angewiesen sind.

Trumps erahnte Reaktion

Selbst die eher platten Momente bleiben Kampfansagen. SNL lebt nicht (nur) von der durchgängig hohen Qualität. Im Gegenteil. Meistens scheint man als Zuschauer weniger über die Witze an sich als viel mehr über Trumps erahnte Reaktion zu lachen.

So ziemlich jeder Zuschauer fragt sich: Wie er wohl darauf reagiert? Welcher Tweet folgt als Nächstes? Hat das Ganze politische Konsequenzen?

Dass eine in der Vergangenheit zeitweise harmlose Sendung wie SNL solche Effekte bei einem US-Präsidenten und der Weltöffentlichkeit hervorruft, ist zumindest außergewöhnlich.

Angesichts der aktuellen politischen Lage ist es nicht weniger als beängstigend, sagt es doch genug über das Rückgrat und die mentale Schwäche des orangen Egomanen aus.

Kritik von einer Frau?

Dies zeigte sich besonders daran, wie Trump auf die satirische Zerstörung seines Pressesprechers Spicer reagierte. Wie so oft verstand er gar nicht, worauf die Komiker von SNL abzielten.

Anstatt sich die Frage zu stellen, ob Team Trump durch seinen respektlosen und autoritären Umgang mit der Presse völlig danebenlag, ärgerte „The Donald“ nur eine Sache: Eine Frau habe Spicer imitiert und veräppelt. Deswegen sehe er schwach aus.

Auch hierin äußert sich die Form der fünften Gewalt. Trump und sein Team bestimmen bei Pressekonferenzen und öffentlichkeitswirksamen Auftritten die Spielregeln. Sie machen Journalisten mundtot oder verunglimpfen sie als „Lügenpresse“ beziehungsweise als „Fake News“.

Die Asymmetrie der Kommunikation zwischen Comedy-Formaten wie SNL und Trump ist hingegen ein Vorteil. Die Komiker veräppeln Trump, er darf nur reagieren.

Die einzige Ausnahme und besonderes Highlight waren Konfrontationen zwischen Alec Baldwin und Trump auf Twitter. Allerdings haben diese direkt ausgetragenen und amüsanten „Pissing Contests“ Seltenheitswert.

Effekthascherei der Medien

Trump kommt demnach in der Comedy selbst wenig bis gar nicht zu Wort. Gerade hier sollten sich die Medien hinterfragen. Ihre Effekthascherei und die überproportionale Aufmerksamkeit, die Trump zuteil wurde, haben letztlich zum Erfolg des Multimillionärs beigetragen.

Lediglich der CNN-Journalist Jake Tapper hat diesen irrsinnigen Kreislauf jüngst durchbrochen. Er nahm Trumps Spindoctor Kellyanne Conway ausnahmsweise ernsthaft in die Zange, was viel zu selten passiert: „fact checking“ in Echtzeit. Und genau diesen Vorteil hat nun mal Comedy, da sie teilweise eine andere Funktion wie Journalismus verfolgt.

Sie muss nicht ständig auf jedes Komma achten und auf jede Verzerrung der Realität hinweisen. Im Gegenteil. Gerade in der SNL-Welt wird mehr denn je analysiert und die Psychologie der Trump-Welt porträtiert. Es geht nicht nur um Eskapismus und Entspannung, sondern um künstlerische Einflussnahme.

Satire ist gerade in den USA zu Trumps Zeiten eine gestaltende Kraft. Niemand sollte erwarten, dass Formate wie SNL ihn nur im Geringsten zu Fall bringen könnten.

Erzieherische Funktion

Allerdings entfalten sie eine erzieherische Funktion, die in einem doch sehr coolen Gewande daherkommt. Kaum ein Zuschauer von „Saturday Night Live“ hat wohl das Gefühl, jemand wolle ihn gerade belehren.

Dass dies nicht passiert, hat unter anderem damit zu tun, dass es gar nicht der Anspruch der Macher solcher Formate ist. Umso mehr gleicht es fast einem Wunder, dass derart viele Menschen rund um den Globus Begeisterung an einem hohlen, nervlich instabilen Pressesprecher haben. Auch die Begeisterung für Figuren wie Kellyanne Conway gelingt nur durch die Macht der Komik.

Da immer deutlicher wird, wie abhängig Trump von seinem kleinen Beraterkreis ist, wächst auch das Interesse an diesen Personen. Potenziert wird das Interesse nicht zuletzt durch die teilweise hollywoodreifen vier- bis fünfminütigen Sketche. Sie sind Protest und Informationsquelle zugleich.

Fazit: Trumps wilde Reaktionen verdeutlichen, dass er eigentlich dazugehören will. Denn Folgendes sollte man nicht vergessen. Was für den Journalismus gilt, stimmt auch für Comedy.

Widerstand und Komplizität

SNL, aber auch die meistgesehene Late-Night-Sendung „The Tonight Show Starring Jimmy Fallon“ haben Trump einst in ihre Sendungen eingeladen und ihn belächelt.

Gerade dieses Spannungsverhältnis macht die Wirkungskraft der Comedy-Formate aus. Die Mischung aus Widerstand und Komplizität entlädt sich mit jeder neuen Folge.

Und auch hier hat Comedy im Gegensatz zu Journalismus einen Vorteil. Breite Bevölkerungsschichten lehnen den Mainstream-Journalismus aus zum Teil nachvollziehbaren Argumenten ab.

Bei beliebten Satire-Formaten wie SNL ist es anders: Sie drehen den Spieß um und machen aus Trump den Außenseiter.