„Die Reaktion der Niederländer war richtig“

„Die Reaktion der Niederländer war richtig“
(dapd/Julien Warnand)

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Während die Türkei die Niederlande heftigst kritisiert, reagiert Jean Asselborn: Die Niederländer hätten richtig gehandelt. Die EU brauche nun eine gemeinsame Linie. Ein Interview.

Wie muss sich die EU gegenüber der Türkei verhalten?

Ich bin kein Hellseher. Ich weiß nicht, wie sich die Situation in der EU weiterentwickeln wird. Wir müssen aber in der EU eine Debatte darüber führen, welche Position wir gegenüber der Türkei einnehmen. Wir müssen eine gemeinsame, solidarische Position entwickeln.

Welche Folgen hat das Handeln des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für sein Land?

Ich kann es nicht anders formulieren: Der türkische Präsident ist dabei, alles zu zerstören, was mit der EU aufgebaut wurde. Wenn man bedenkt, dass der Wohlstand der letzten zehn Jahre in der Türkei wegen der Wirtschaftsbeziehungen zu Europa gewachsen ist, kann dies auch dem türkischen Präsidenten nicht egal sein. Wenn das ihm jedoch egal ist und nur noch ideologische Aspekte zählen, ist das sehr schlimm für die Türkei. Dies könnte das Land in seiner Entwicklung wieder sehr schnell zurückwerfen.

Haben die Niederländer richtig gehandelt?

Ich bleibe der Überzeugung, dass Diplomatie immer noch den Vorrang hat. Man muss natürlich betonen, was richtig und was falsch ist. Man darf jedoch nicht deshalb alle diplomatischen Wege und Mittel zerstören. Wenn diese erst einmal zerschlagen sind, stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Ich glaube aber, dass Holland absolut Recht hat: Wenn man verhindern will, dass Geert Wilders bei den bevorstehenden Wahlen 40 Prozent der Stimmen erhält, bleibt nur eine Schlussfolgerung: Die Reaktion der Niederländer war richtig.

Ist Erdogan zu weit gegangen?

Man kann sich nicht im Kontext der niederländischen Wahlen als türkische Regierung einfach über die nationalen Begebenheiten in den Niederlanden hinwegsetzen. Am Mittwoch wird in Holland gewählt, das hat einen Impakt. Wenn die Türkei dann aber mit solch einer Unbekümmertheit und Kraft vorgeht, nur ihre eigenen Interessen sieht und das Land als Faschisten bezeichnet, stelle ich fest, dass die Niederländer keine andere Option als das Auftrittsverbot hatten. Dies nicht nur aus holländischen Interessen, sondern um die Interessen der Demokratie aufrechtzuerhalten. Wir müssen mit den Niederländern solidarisch sein.

Sie pflegen gute Kontakte nach Deutschland. Wie sieht man die Situation dort?

Ich habe mich mit dem designierten deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier unterhalten. Es werden noch 15 Auftritte türkischer Politiker in Deutschland angefragt werden. In Deutschland gibt es bislang kein Auftrittsverbot. Aber in Deutschland wird auch die Position vertreten, dass der türkische Wahlkampf sich nicht auf einmal nach Deutschland verlagern darf.

Wieso reagiert die türkische Regierung so hysterisch?

Die Nervosität der türkischen Regierung erkläre ich mir damit, dass die Umfragewerte nicht sehr klar sind. Ich stelle mir zudem die Frage, was passiert, wenn Präsident Erdogan mit seinem Verfassungsreferendum nicht durchkommt. Ich glaube nicht, dass sich die Situation dann verbessert.

Jean Asselborn hielt sich zudem am Dienstag in der Ukraine auf. Wie er die Entwicklung des Kriegs im Donbass, die Bekämpfung der Korruption in der Ukraine, aber auch die wirtschaftliche Kooperation zwischen Luxemburg und Kiev sieht, lesen Sie in der Mittwoch-Ausgabe des Tageblatt (15.3.2017).