Die EU scharrt mit den Hufen

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(dpa)

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Es wird Zeit, dass es mit den Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens losgeht. Das finden zumindest die 27 Staaten der Rest-EU. Denn die Stimmung ist angespannt und die Probleme werden nicht kleiner.

Die Europäische Union macht sich startklar für die Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien. An diesem Montag wollen die 27 bleibenden EU-Staaten ihrem Chefunterhändler Michel Barnier offiziell das Mandat erteilen. Nicht nur er wird langsam ungeduldig.

„Wir wollen so schnell wie möglich beginnen“, sagt Barnier. Die Uhr tickt für die äußerst komplizierte Scheidung nach mehr als 40 Jahren Partnerschaft. Ganz schmerzfrei wird sie sicher nicht. Mancher fürchtet inzwischen einen Trümmerbruch.

Warum erst nach einem Trennungsjahr?

Schon im vergangenen Juni entschied sich eine Mehrheit der Briten für den EU-Austritt. Aber vorbereitet war die Regierung nicht. Erst Ende März stellte Premierministerin Theresa May offiziell den Antrag und startete damit die zweijährige Verhandlungsfrist. Bis März 2019 soll ein Austrittsabkommen stehen. Losgehen können die Gespräche jedoch erst nach der britischen Parlamentsneuwahl am 8. Juni. Jüngste Prognose ist, dass man sich zwei Wochen später erstmals zusammensetzt. Das wäre pünktlich zum ersten Jahrestag des Brexit-Votums vom 23. Juni 2016.

Rosenkrieg oder treuliche Trennung?

Beide Seiten beteuern offiziell ihr Interesse an einer gütlichen Trennung und engen künftigen Beziehungen, um Wirtschaft und Bürgern möglichst wenig zu schaden. Doch es sei allzuleicht, das Verfahren nach Artikel 50 der EU-Verträge zu versemmeln, meint der ehemalige britische Europaabgeordnete Andrew Duff.

Der Ton ist giftig, seit in Brüssel vertrauliche Informationen aus einem Dinner von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei May gestreut wurden. Die Regierungschefin wurde als unnachgiebig und weltfremd dargestellt – May reagierte äußerst gereizt.

Öffentlich betont sie, sie wolle lieber keine Einigung mit der EU als eine schlechte. Die EU-Seite lässt hingegen gerne anklingen, dass ein ungeordneter Brexit ohne Anschlussregelungen für die Briten schlimmer wäre. Kurzum: Beide Seiten üben sich im Imponiergehabe.

Wer übernimmt die gemeinsame Hypothek?

In Barniers Verhandlungsmandat schreibt die EU drei Kernforderungen fest, die zuerst geklärt werden sollen. Besonders schwierig: die Schlussrechnung für das Vereinigte Königreich. Die EU verlangt den britischen Anteil für Finanzentscheidungen, die man gemeinsam getroffen hat, vor allem für den EU-Haushalt, gemeinsame Fonds und Pensionslasten.

Inoffizielle Berechnungen gehen von 100 Milliarden Euro oder mehr aus. Die britische Regierung hält solche Summen für absurd. Barnier selbst nennt bewusst keine Zahl, sondern spricht nur von Berechnungsmethoden, über die man sich einigen müsse. Das lässt zumindest Verhandlungsspielraum.

Was wird mit den EU-Bürgern auf der Insel und den Briten in der EU?

Die beiden anderen Kernpunkte aus Barniers Mandat: Die EU will schnell Garantien vereinbaren, dass die 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien und die 1,2 Millionen Briten in der EU weiter so leben können wie bisher, ohne um Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis, um ihre Rente oder Krankenversicherung fürchten zu müssen. Und sie will unbedingt eine neue befestigte Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland vermeiden. Sonst wäre der fragile Friede zwischen Katholiken und Protestanten auf der Insel in Gefahr. In diesen Punkten ist der Ton beidseits konzilianter als beim Geld.

Alles offen bis zum Schluss?

Erst wenn die EU in diesen drei Hauptfragen Zugeständnisse bekommt, will sie über einen künftigen Handelspakt mit Großbritannien reden, frühestens ab Herbst. Um ganz sicher zu gehen, erteilen die 27 Länder Barnier das Mandat zunächst auch nur für diese erste Phase. Großbritannien will hingegen eine Paketlösung, die auch einen künftigen Handelspakt umfasst.

„Wie sagt man in Brüssel: Nichts ist beschlossen, bis nicht alles beschlossen ist“, sagte Außenminister Boris Johnson vor ein paar Tagen – sogar auf Französisch. Das Noch-Mitglied hat Druckmittel, es kann in der EU Nadelstiche setzen.

So stoppte London zuletzt einen Beschluss zum Haushaltsfinanzrahmen, was wiederum den SPD-Europapolitiker Jo Leinen drohen ließ: „Sollte die britische Regierung absichtlich Sand in das Getriebe der Europäischen Union streuen, um die Brexit-Verhandlungen zu beeinflussen, wäre das ein inakzeptabler Vertrauensbruch, der Konsequenzen hätte.“