Die Arbeit der vermummten Beamten

Die Arbeit der vermummten Beamten
(Tageblatt/Fabrizio Pizzolante)

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Die Öffentlichkeit kennt die Spezialeinheit der Polizei vor allem als vermummte Beamte, die spektakuläre Festnahmen durchführen. Ihr Aufgabengebiet reicht aber weit darüber hinaus. Das Tageblatt sprach mit dem Kommandanten der USP und besuchte ein Training.

Vor jedem Einsatz steht die Lagebesprechung. Der für die Operation Verantwortliche erinnert die Polizisten daran, was das Ziel des Einsatzes ist. Ein polizeilich gesuchter Mann hat sich an diesem Morgen im ersten Stock eines verlassenen Bürogebäudes verschanzt.

Das Einsatzteam – das aus einem halben Dutzend Polizisten besteht – soll ihn dort überraschen und festnehmen. Nach der Einsatzbesprechung geht es schnell: Fast lautlos huscht die schwer bewaffnete Einheit die Treppen des Bürogebäudes hoch. Nicht ganz einfach, kein Geräusch zu verursachen, wenn man bis zu 20 Kilogramm zusätzlich an Ausrüstung mitschleppen muss.

Die Festnahme des Gesuchten

Nach jedem Schritt sichert sich die Gruppe zu jeder Seite hin ab. Ohne Geräusch, das sie verraten könnte, kommt sie bis zur der Tür, hinter welcher der Gesuchte vermutet wird.

Der Einsatzleiter gibt letzte Anweisungen. Auf sein Zeichen hin bricht der Beamte mit einer Handramme die Tür auf und seine Kollegen stürmen ins Zimmer. Von dem Moment an ist es vorbei mit der Stille; von mehreren Seiten gleichzeitig wird der Mann lautstark aufgefordert, seine Waffe fallen zu lassen und sich hinzulegen. Schnell werden ihm Handschellen und eine Augenbinde angelegt. „Wenn er nichts sieht, ist er ungefährlich“, erklärt der Chef der Spezialeinheiten der Polizei uns nach der Übung.

Nicht gerne im Rampenlicht

In der Presse liest man eher selten etwas über die USP. Sie würden auch gar nicht im Rampenlicht stehen wollen, erklärt ihr Kommandant. Allerdings ist das nicht immer möglich, wie wohl die bekannteste Geiselnahme in Luxemburg zeigte. Am 31. Mai 2000 nahm ein Mann zwei Dutzend Kinder und drei Erzieherinnen in Wasserbillig als Geisel. Das Drama zog sich über 30 Stunden lang hin. Am Ende lockten als Kameraleute von RTL getarnte Polizisten den Geiselnehmer in eine Position, in der ein Scharfschütze ihn mit zwei Kopfschüssen niederstreckte. Es war dies bis dato der spektakulärste Einsatz der USP.

Geiselbefreiungen stellen nur eine der zahlreichen Einsatzmöglichkeiten der USP dar. Ihr Aufgabengebiet reicht von Beobachtung, Personenschutz über die Festnahmen von gesuchten Personen bis zum Transport von gefährlichen Untersuchungshäftlingen. Auch bei gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Familie kommen sie zum Einsatz.

Ermittlungen führen sie selbst keine durch. Die USP würden erst auf den Plan gerufen, wenn nichts anderes helfen würde. Oberstes Gebot bei jedem Einsatz sei immer, die Sicherheit der Geiseln und der Unbeteiligten zu gewährleisten. „Kollateralschäden, wie sie bei militärischen Einsätzen vorkommen, können wir uns nicht leisten“, betont der Kommandant.
Im Jahr kämen zwischen 250 und 300 Einsätze zustande. Die Tatsache, dass die USP innerhalb von einer Stunde überall im Land einsatzbereit sein muss, bedeutet viele Einschränkungen für die Beamten. Jede zweite Woche leisten sie Bereitschaftsdienst. Im Notfall könnten sie sogar aus dem Urlaub zurückgerufen werden.

Gefahrenzulage: 32 Euro im Monat

Trotz aller Einschränkungen seien die Beamten, die in der USP Dienst tun, hoch motiviert. „Absentéisme“ und Montagskranke würde es bei ihnen nicht geben.

Dies obwohl Bereitschaftsdienst und die dadurch entstehenden vorher nicht planbaren Einsätze das Privatleben schon sehr belasteten. „Wenn man mit der Familie ins Kino will, muss man schon mit zwei Autos fahren, da man ja jeden Augenblick zu einem Einsatz gerufen werden kann.

Aber nicht nur im Privatleben machen die Mitarbeiter der USP Zugeständnisse. Während die Beamten in anderen Einheiten zwischen 3.000 und 5.000 Euro pro Jahr zusätzlich als Schichtzulagen verdienen können, müssen die USP-Beamten auf dieses Geld verzichten. Sie bekämen lediglich eine Gefahrenzulage von 32,23 Euro im Monat. „Eine Farce“, sagt der Kommandant lachend.

Mehr als „Sport und Schießen“

Dass wenig über sie geschrieben wird, kommt ihnen zwar einerseits entgegen, andererseits habe die Öffentlichkeit ein Bild von der USP, das ihr nicht gerecht werde, sagt ihr Kommandant. Bei einem Einsatz treten die Beamten vermummt auf. Auf das Rambo-Image das dadurch vermittelt werde, reagierten sie sehr allergisch, erklärt er.

Durch die Vermummung werde oft noch ein anderes Bild vermittelt: „Die Leute verstehen oft nicht, dass wir kein Geheimdienst sind“, erklärt der Kommandant. „Unser Beruf ist auch viel mehr als bloß Sport und Schießen“, sagt er weiter. In der sogenannten Selektionswoche für die USP-Kandidaten, die allerdings bis zu zehn Tage dauern könne, machen die Sport-Tests und Schießübungen nur einen Tag aus. Viel mehr Bedeutung würde dem psychologischen Gutachten und vor allem der Stressresistenz der Kandidaten beigemessen. Das sei wichtiger als ein sportlicher, trainierter Körper, der sich sowieso noch im Nachhinein antrainieren lasse.

Bei der USP können sich die Absolventen der Polizeischule melden, sofern sie jünger als 30 Jahre alt sind. Ein Beamter der Laufbahn „brigadier“ muss zusätzlich schon ein Jahr als Polizist gearbeitet haben. Nach bestandenem Aufnahmetest beginnt die einjährige Grundausbildung. In dieser Zeit wird der Neuling in den drei Grundtechniken Personenschutz, Observierung und direktes Eingreifen ausgebildet. Etwa ein Drittel der Kandidaten bricht die Ausbildung vorzeitig ab. Danach dauere es noch fünf Jahre, bis der Beamte den nötigen Erfahrungsschatz besitze, um autonom arbeiten zu können, sagt ihr Chef.

Anfänge bei der Olympiade in München

Der Anfang der Spezialeinheiten in Europa geht auf die Geiselnahme bei den Olympischen Spielen 1972 in München zurück. Danach wurde in Deutschland die GSG9 gebildet. Die erste Spezialeinheit in Luxemburg entstand 1978: die „brigade mobile“ der damaligen Gemdarmerie, woraus in den 80er Jahren die „Groupe mobile de la Gendarmerie“ entstand, die 30 Mitglieder zählte. 1986 wurde innerhalb der Polizei die „Groupe d’intervention de la Police“ gegründet. Nach der Fusion von Polizei und Gendarmerie entstand die USP, in der heute etwa 70 Beamte Dienst tun.
Wie wohl jeder Chef meint auch der Kommandant der USP, dass sie mehr Leute gebrauchen könnten. Neben den zahlreicher werdenden Einsätzen bleibe immer weniger Zeit für die Weiterbildung.