Der gute Hirte als böser Räuber

Der gute Hirte als böser Räuber
(Didier Sylvestre)

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Das Syfel, der Verband der Kirchenfabriken, rüstet für Armageddon. Der bei dieser Entscheidungsschlacht zu zerschmetternde Antichrist tritt dabei nicht nur in Gestalt von Innenminister Dan Kersch auf, sondern auch und gerade in jener von Erzbischof Jean-Claude Hollerich.

Letzteren schmähte Syfel-Präsident Serge Eberhard jüngst schlichtweg als „Räuber“. (Zitat: „Hier haben zwei Parteien entschieden, das Haus eines Dritten zu verkaufen (…). Das nennt man Diebstahl, Enteignung, Beraubung.“ Luxemburger Wort vom 26.9.2016, S. 3)

Ein starkes Stück, denn immerhin ist der Erzbischof von Papst Ratzinger, dem damaligen Stellvertreter Christi auf Erden, zum Oberhaupt der Katholiken in unserer Erzdiözese bestellt worden.

Nun ist es wohl so, dass Christus keinerlei Vorurteile gegenüber Räubern hegte – einem von jenen beiden, zwischen denen er gekreuzigt wurde, gewährte er sogar den sofortigen Einzug ins Paradies –, dennoch erscheint es eher unwahrscheinlich, dass der kraft seines Amtes in Glaubensdingen unfehlbare bayrische Pontifex einen Repräsentanten dieser Spezies zum örtlichen Sachwalter der Kirche im Großherzogtum bestellen wollte.

Ihr bemerkenswert treuloses Verhältnis zum Erzbischof hatten die Syfel-Sikarier zuvor ja bereits durch die hinterfotzige Verpetzung ihres eigenen Hirten beim päpstlichen Nuntius unter Beweis gestellt.

Welcher Episkopos wollte da nicht lieber ein Nest von Giftnattern hüten als eine solche Schafsherde from Hell? Und so beschleicht einen der Verdacht, dass der Begriff „Kirche“ für die rabiatesten Syfel-Streiter in erster Linie „bricks & mortar“, also handfeste materielle Güter verkörpert.

Der Sünder vor seinem Richter

Dabei hatte der Nazarener sie ausdrücklich gewarnt: „Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Rost und Motten sie verzehren (…), sondern sammelt euch Schätze im Himmel (…)“ (Mt 6,19). Allein, Ohren haben sie, doch sie hören nicht.
Vor allem aber scheint ihnen das heimelige Wohlgefühl, welches ihnen die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft konservativer Gleichgesinnter verschafft, allemal erstrebenswerter als die Nachfolge Jesu zu sein.

Es geht ja nun beim aktuellen Reformprojekt nicht zuletzt darum, Eigentumsverhältnisse klarzustellen. Kein ehrlicher Mensch kann doch wohl etwas dagegen haben, dass nun endlich unmissverständlich zwischen „mein und dein“ unterschieden werden können soll. Merkwürdigerweise scheint aber das Syfel gerade damit ein handfestes Problem zu haben.

Aber nun mal zum glaubenstechnischen Teil: Es ist seit Jahrhunderten üblich, dass gläubige Katholiken durch fromme Stiftungen (Bimbes wie Immobilien) ihr Seelenheil zu pimpen suchen.

Wenn der Mensch am Ende seines nicht immer gottgefälligen Erdenwandels vor seinen Richter tritt, dann soll derlei Großzügigkeit diesen milde stimmen, auf dass die sündige Seele nicht allzu lange im Fegefeuer oder gar in saecula saeculorum in sengender Höllenglut schmoren möge.

Doch wer wird denn da am Jüngsten Tage über uns gefallene Geschöpfe zu Gericht sitzen? Gewiss nicht Herr Linden vom Syfel, obwohl dessen meist unerbittlich grimmiger Blick – „always look on the dark side of life“ – vermuten lässt, dass er an dieser Rolle sehr wohl Gefallen finden könnte.

Nein, amtieren wird vielmehr zu jener schicksalsträchtigen Stunde der „Menschensohn in seiner Herrlichkeit“. Zu richten die Lebenden und die Toten.

Woraus erfolgt, dass ein frommer Katholik seine irdischen Güter zwangsläufig der zweitausendjährigen, vom Erlöser himself gegründeten Kirche spendet und mitnichten irgendeiner, von einem französischen und gottlosen Diktator vor gut 200 Jahren per Dekret verfügten Institution namens „Kirchenfabrik“. Denn seine Kirchenfabrik wird ihn am Jüngsten Tage bestimmt nicht raushauen. Und sei es nur, weil sie dann mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mehr vorhanden sein wird.

Die Kirche ist Gottes Werk und demnach ewig. Sie existiert unabhängig vom menschlichen Willen. Wäre es anders, wäre Gott nicht allmächtig und mithin nicht Gott.

Die Kirchenfabrik ist dagegen Menschenwerk und somit eitler Tand. Sie wurde per Dekret geschaffen, sie kann daher grundsätzlich auch per Dekret aus der Welt geschafft werden.

Nun ist es natürlich so, dass die Großzügigkeit manch frommen Stifters seit jeher nicht nur sein Seelenheil befördern sollte.

Die zu erwartende Mehrung seines sozialen Prestiges in Heimatpfarrei und Diözese diente dabei wohl in der Regel zur mindestens ebenso starken Triebfeder: Der Herrenbauer oder städtische Patrizier konnte dergestalt seine führende Position in der Gemeinschaft der Gläubigen und mithin der Anständigen für alle sichtbar demonstrieren.

Denn sehet, der Herr hat ihre Herzen verstockt

Dabei wäre es dem Herrn viel eher zu Wohlgefallen gewesen, wenn sie öfter mal ihr Gesinde gerecht behandelt hätten: „Aber der Lohn der Arbeiter, (…) den ihr ihnen vorenthalten habt, schreit zum Himmel“. (Jak 5,4)

Doch gerade unter jenen, die ihre Frömmigkeit monstranzartig vor sich hertragen, ist es um den Glauben – dessen Aufrichtigkeit sich Jesus zufolge in tätiger Liebe des Christenmenschen gegenüber seinen Nächsten und zuvörderst den Geringsten unter ihnen offenbart – oft ziemlich kläglich bestellt. Und daran hat sich bis heute kaum etwas geändert.

Auch der aktuelle Kreuzzug des Syfel gegen den satanischen Innenminister und dessen hochwürdigsten Partner in Crime vermittelt nicht eben den Eindruck, als ob es ihnen vorrangig darum ginge, die Lehre des Schreinersohns von Nazareth zu verbreiten.

Denn, wie die Frohbotschaft nicht müde wird zu betonen: „Gott ist Liebe“. Doch ausgerechnet von Liebe und mithin dem Widerschein der göttlichen Gnade war in den Aussagen und Gesichtern der Syfel-Zeloten in letzter Zeit meist nur herzlich wenig zu verspüren.

Denn sehet, der Herr hat ihre Herzen verstockt und so verweigern sie ihrem durch Gottes Ratschluss über sie gesetzten Hirten den Gehorsam. Was sie übrigens dereinst vor dem Weltengericht noch teuer zu stehen kommen könnte.

Stattdessen suchen sie mit Zähnen und Klauen ihr konservatives Weltbild zu retten, das aus einer Zeit stammt, als die Kirche noch die Macht hatte, fast unsere gesamte Gesellschaft unter das Joch ihrer kulturellen Hegemonie zu zwingen.
Wobei sie offenbar unfähig sind, sich mit der Tatsache abzufinden, dass diese ihre Vorstellung einer heilen Sektenwelt immer weniger Menschen zu überzeugen weiß und es mithin definitiv keinen gescheiten Grund mehr dafür gibt, dass ihnen die Allgemeinheit deren Fortbestand finanzieren sollte.
Amen.