Der gefallene Star vor Gericht

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(AFP)

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Auf Dominique Strauss-Kahn kommen erneut ungemütliche Gerichtsauftritte zu, und wieder wird das Sexleben des einstigen IWF-Chefs und sozialistischen Spitzenpolitikers im Mittelpunkt stehen.

Am Montag beginnt im nordfranzösischen Lille ein Prozess wegen Zuhälterei gegen den 65-Jährigen, der vor wenigen Jahren noch als aussichtsreichster Anwärter auf das Präsidentenamt in Frankreich gehandelt wurde. Es geht um wilde Sexpartys mit Prostituierten – und um einen Mann, den Vergewaltigungsvorwürfe schon die Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) und seine politische Karriere gekostet haben.

Die Carlton-Affäre – benannt nach einem Luxushotel in Lille – nimmt im Herbst 2011 ihren Anfang. Gegen den Besitzer des Carlton, den Hotelmanager und seinen PR-Verantwortlichen werden Ermittlungsverfahren eingeleitet, sie sollen für Kunden Prostituierte organisiert haben. Auch Strauss-Kahns Name fällt – und die Ermittler stoßen auf ein wahres Netzwerk, das Sexpartys mit Callgirls unter anderem in Paris und Washington organisierte, an denen neben Strauss-Kahn auch Geschäftsleute und ranghohe Polizisten teilnahmen. Bald sind die Untersuchungsrichter überzeugt: Bei diesen Sexpartys drehte sich alles um Strauss-Kahn, in Frankreich kurz „DSK“ genannt.

Neigungen

Der damalige IWF-Chef war „Dreh- und Angelpunkt“, der „Partykönig“, wie es Justizvertreter formulieren – beschrieben werden wahre Sex-Orgien, die „DSK“ teils mitorganisiert haben soll. Strauss-Kahn räumt ein, an den Partys teilgenommen zu haben – er will aber nicht gewusst haben, dass die jungen Frauen Prostituierte waren. Glaubt man der Verteidigungslinie des als Charmeur und Frauenheld bekannten Strauss-Kahn, lebte dieser einfach nur bei Swingerpartys seine sexuellen Neigungen aus.

Der auf drei Wochen angesetzte Prozess wegen „schwerer gemeinschaftlicher Zuhälterei“, bei dem neben „DSK“ noch 13 weitere Angeklagte vor Gericht stehen, ist ein neuer Tiefpunkt im Leben des einstigen Polit-Stars. Denn Strauss-Kahn, 1949 im noblen Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine geboren und in Marokko aufgewachsen, kann auf eine beeindruckende Karriere zurückblicken – bevor er so tief stürzte.

Einflussreich

Der brillante Wirtschaftsdozent tritt als 27-Jähriger den Sozialisten bei, überzeugt dort mit wirtschaftspolitischem Verstand und analytischer Schärfe. Er wird Abgeordneter, Industrieminister und 1997 schließlich „Superminister“ für Wirtschaft und Finanzen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2007 muss er seiner innerparteilichen Konkurrentin Ségolène Royal den Vortritt lassen, die schließlich dem Konservativen Nicolas Sarkozy unterliegt. Im gleichen Jahr wird Strauss-Kahn, der fließend Englisch und Deutsch spricht, mit Sarkozys Unterstützung Direktor des IWF in Washington. Dort sorgt schon 2008 eine Affäre mit einer IWF-Mitarbeiterin für Aufregung.

Doch als Chef des Währungsfonds erarbeitet Strauss-Kahn sich einen exzellenten Ruf, der Umgang mit der Finanzkrise bringt ihm den Spitznamen „Arzt der Weltwirtschaft“ ein, er gilt als einer der einflussreichsten Männer der Welt. Der nächste Schritt scheint programmiert: Umfragen sehen Strauss-Kahn als Favoriten für die französische Präsidentschaftswahl 2012, eine Kandidatur gilt als sicher.

Oralsex

Doch dann kommt der 14. Mai 2011: Am New Yorker Flughafen JFK wird Strauss-Kahn kurz vor dem Abflug nach Paris in einer Air-France-Maschine festgenommen, der Presse in Handschellen vorgeführt. Ein Zimmermädchen des Luxushotels Sofitel wirft ihm unter anderem vor, sie zum Oralsex gezwungen zu haben. Strauss-Kahn muss von der IWF-Spitze zurücktreten, auch wenn er die Vorwürfe zurückweist und von einvernehmlichem Sex spricht. Einige Monate später wird das Strafverfahren wegen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Zimmermädchens eingestellt. Eine außergerichtliche Einigung beendet im Dezember 2012 auch ein Zivilverfahren.

Strauss-Kahns politische Karriere liegt da schon lange in Trümmern, auch seine Ehe mit der bekannten Journalistin Anne Sinclair geht in die Brüche. Heute verdient er als Berater für Regierungen gutes Geld und hält Vorträge in aller Welt. Eine Verurteilung als Zuhälter, die ihm in Lille droht, könnte aber das schnelle Ende auch dieser Karriere bedeuten.