Der „discours de fermeté“ von Valls

Der „discours de fermeté“ von Valls
(AFP/Thomas Kienzle)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Viele EU-Staaten bleiben störrisch bei der Suche nach einem Ausweg aus der Flüchtlingskrise. Nun sperrt sich auch Frankreich gegen die Aufnahme weiterer Migranten.

Frankreich hat kurz vor einem richtungsweisenden EU-Gipfel die Aufnahme weiterer Flüchtlinge ausgeschlossen und damit einer Forderung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel offen eine Absage erteilt. „Frankreich hat sich engagiert, 30.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Dazu sind wir bereit, aber nicht zu mehr“, sagte Premierminister Manuel Valls am Samstag am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz (Link).

Für den EU-Gipfel am kommenden Donnerstag und Freitag in Brüssel bergen die klaren Äußerungen von Valls politischen Sprengstoff. Denn Merkel will erreichen, dass zumindest mittelfristig ein Teil der in der Türkei ankommenden Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien auf EU-Staaten verteilt wird. Dafür soll die Türkei, die derzeit die meisten Flüchtlinge beherbergt, die unkontrollierte Weiterreise von Migranten in Richtung EU durch bessere Grenzkontrollen unterbinden. Valls stellte zudem noch einmal klar, dass seine Regierung auch ein dauerhaftes System zur Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas ablehnt. „Jetzt ist es an der Zeit, das umzusetzen, was wir ausgehandelt haben“, sagte der Premierminister. Dies seien unter anderem die Kontrolle der Außengrenzen der EU und der Aufbau von Registrierungszentren für Flüchtlinge in Griechenland und Italien.

„Ni afficher la moindre empathie“

Es sind harte Worte von Valls, „Le discours de fermeté de Manuel Valls“ schreibt Le Monde. Der französische Premier besuchte ein provisorisches Auffanglager in München. Der Ablauf der Visite wie im Monde-Artikel beschreibt die „fermeté“ aus dem Titel: „Durant vingt-cinq petites minutes à peine, le premier ministre français a remonté les allées de cette ancienne caserne militaire reconvertie, sans s’entretenir avec un seul réfugié accueilli sur place, ni afficher la moindre empathie sur la question des migrants alors que ce dossier divise toujours les pays européens.“

Als Grund für den harten Kurs der sozialistischen Regierung in Paris gelten vor allem die guten Umfrageergebnisse der rechtspopulistischen Front National. 2017 stehen in Frankreich Präsidentschaftswahlen an. Auch Polen und Ungarn wehren sich allerdings gegen Umverteilungspläne und lehnen es wie mehrere weitere EU-Staaten ab, nennenswert Flüchtlinge aufzunehmen.

Scharfe Kritik vom EU-Parlamentspräsident

Ohne Frankreich oder andere Länder konkret zu nennen, übte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in München scharfe Kritik an mangelnder Solidarität in der EU. „Da sitzen viele Leute am Tisch, die eine ganz klare Strategie haben. Die lautet: Die Interessen meines Landes kommen zuerst und dann schauen wir mal, was passiert“, sagte er mit Blick auf das bevorstehende Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel. „Der Geist der Gründer der EU, der sagt, dass wir stärker sind, wenn wir gemeinsam handeln, geht mit jedem Gipfel ein Stück weit mehr verloren.“

Beispiel für das Auseinanderdriften der EU in der Flüchtlingskrise sind auch Pläne einiger EU-Staaten, dem Nicht-Mitglied Mazedonien dabei zu helfen, schon bald seine Grenze zu Griechenland für Flüchtlinge abzuriegeln. Außer Österreich, Kroatien und Slowenien bieten auch Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei Unterstützung an. „Solange eine gemeinsame europäische Strategie fehlt, ist es legitim, dass die Staaten auf der Balkanroute ihre Grenzen schützen“, sagte der slowakische Außenminister Miroslav Laj?ák dem Spiegel: „Dabei helfen wir ihnen.“

Gabriel & Steinmeier: „Europa festigen“

Angesichts drohender nationaler Alleingänge warnen in Deutschland derweil SPD-Chef Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (ebenfalls SPD) vor einem Auseinanderbrechen der EU. In einem Brief an sozialdemokratische Staats- und Regierungschefs mahnen sie mit Blick auf Griechenland: „Ein formeller Ausschluss eines Mitgliedstaates aus dem Schengenraum oder seine de facto-Ausgrenzung sind Scheinlösungen, die die europäische Debatte vergiften.“

„Europa steht inmitten der wohl größten Bewährungsprobe seiner Geschichte“, heißt es in dem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur am Samstag vorlag.

Vor dem EU-Gipfel in Brüssel werben Gabriel und Steinmeier zugleich für einen Kompromiss mit Großbritannien, „der Europa festigt2. Die angestrebten Reformen dürften nicht zu einer „inneren Desintegration oder Blockade der Europäischen Union“ führen: „Daher ist es für uns eine unverzichtbare Bedingung der Einigung, dass kein Veto gegen weitere Integrationsschritte eingeführt wird.“ Eine zeitlich befristete Einschränkung von Sozialleistungen sei legitim, um einer gezielten Wanderung in die Sozialsysteme zu begegnen. „Dabei darf es jedoch keine dauerhafte Diskriminierung von Unionsbürgern geben, die in einem anderen EU-Staat einer Erwerbstätigkeit nachgehen“, heißt es.

Lesen Sie auch:

Frankreich lehnt EU-Verteilmechanismus ab