Der Mann, der LuxLeaks auslöste

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LUXEMBURG - Der Mann, der LuxLeaks ins Rollen gebracht hat, heißt Antoine Deltour. In einem Interview mit „Libération“ sagt er, er habe aus Überzeugung gehandelt.

Vor etwas mehr als einem Monat hat eine Medienbombe das Image Luxemburg gehörig zerbeult. Der Auslöser: 28.000 geheime Dokumente, die vom „International Consortium of investigative Journalism“ (ICIJ) veröffentlicht wurden. Sie deckten das ganze System des Steuerrulings auf, das in Luxemburg seit Jahren aufgebaut und praktiziert wurde und das internationalen Konzernen erlaubte, Milliarden Steuern zu sparen.

Den Stein ins Rollen brachte wohl ein 28-jähriger Franzose: Antoine Deltour. Seit vergangenem Freitag ist er von der Luxemburger Justiz angeklagt. Ihm werden unter anderem Verletzung des Berufsgeheimnis, Diebstahl und Betrug vorgeworfen.

Deltour befand sich bereits seit Juni in Frankreich in Polizeigewahrsam (garde à vue). Und das aufgrund eines internationalen Rechtshilfeersuchen der Luxemburger Justiz. Demnach fünf Monate bevor die Luxembourg Leaks-Affäre wie eine Bombe das beschauliche Luxemburg zum Erzittern brachte.

Nur zwei Jahre bei PwC

Am 5. November wurden 28.000 Dokumente über Luxemburgs Tax-Ruling veröffentlicht. Sie stammten von der Unternehmensberater-Firma PricewaterhouseCoopers, die die Deals zwischen internationalen Großunternehmen und der Luxemburger Steuerverwaltung aushandelte. Bis 2010 hatte Deltour bei PwC gearbeitet, sagt er in einem Interview mit der französischen Tageszeitung „Libération“ (Montagsausgabe). 2008 habe er ein Praktikum bei PwC Luxemburg begonnen, im September desselben Jahres habe man ihm einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten. Zwei Jahre später demissionierte er. Die Arbeitswelt die er dort begegnete, entsprach nicht seinen Vorstellungen. Schrittweise habe er die Wirklichkeit des Systems in seiner ganzen Radikalität erkannt: eine massive Steueroptimierung. Er wollte keinen Beitrag dazu leisten, sagt er im Libération-Interview.

Fast durch Zufall ist er vor dem Verlassen der Firma auf die Tax-Rulings gestoßen, sagt er. Er habe Kopien angefertigt, ohne konkrete Projekte zu haben. Informatik-Sperren habe er nicht gebrochen, sagte Deltour.

Deltour will Kopien der Dokumente einem französischen Journalisten im Jahr 2012 überreicht haben. Sie bildeten die Grundlage für eine Sendung auf France2 im selben Jahren, in der die Steuervorteile in Luxemburg für internationale Unternehmen angeprangert wurden. Nach der Sendung von France2 „Cash investigation“ reichte PwC 2012 Klage ein.

Keine Kontakte zu ICIJ

Mit dem ICIJ hat Deltour keinerlei Kontakte gehabt. Die Dokumente, der er dem französischen Journalisten überreichte, sollten nur zur Vorbereitung besagter TV-Sendung dienen. Dem Luxemburger Untersuchungsrichter hat Deltour eigenen Aussagen zufolge alles erzählt. Alles fand in einer „herzlichen Atmosphäre“ statt, sagt er.

Deltour will aus Überzeugung gehandelt haben. Und er ist wohl nicht der einzige „Whistleblower“, der vertrauliche Unterlagen mitgenommen hat. „Je suis juste l’élément d’un mouvement olus général“, sagt er. Seinen Aussagen in Libération zufolge würden bei der ersten LuxLeaks vom 5. November Dokumente genannt, die aus der Zeit nach seinem Abgang stammen. „Ich bin demnach nicht allein“, sagt er. Und bei LuxLeaks 2 werden auch andere Beratungsfirmen, die ähnliche Dossiers wie PwC behandelten, genannt.

„Systemische Praktiken“

Es ist ungerecht, dass nur Luxemburg beschuldigt wird, sagt Deltour. Und dass nur eine Beratungsfirma genannt werde. Diese Praktiken seien systemisch. Er spricht von einer aggressiven Steuerplanung, die von einzelnen Staaten erstellt wurde, von komplexen Strategien, die von einzelnen Kabinetts auf industriellem Maßstab angewandt würden. Endlich würde nun über eine Harmonisierung der Steuergrundlagen in Europa geredet.

Deltour will nicht daran glauben, dass er wegen seiner Handlungen verurteilt wird. Er sieht sich in Übereinstimmung mit anderen „Warnern“ oder Nichtregierungs-Organisationen. Das sei der Lauf der Dinge.