Brasiliens Präsident bangt um sein Amt

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(AFP)

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Für Michel Temer könnte es eng werden: Nach der Amtsenthebung seiner Vorgängerin Dilma Rousseff im vergangenen Jahr droht dem 76-Jährigen wegen Korruptionsvorwürfen ein ähnliches Ende.

Das Oberste Bundesgericht genehmigte am Donnerstag Ermittlungen gegen den brasilianischen Präsidenten Michel Temer der rechtskonservativen Partei der demokratischen Bewegung (PMDB). Hintergrund ist ein heimlicher Mitschnitt eines Gesprächs, in dem Temer Schweigegeldzahlungen an den inhaftierten ehemaligen Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha gebilligt haben soll.

Der 76-jährige Temer will trotz sich häufender Rücktrittsforderungen im Amt bleiben. In einer im Fernsehen übertragenen Rede an die Nation sagte er: „Ich werde nicht zurücktreten. Ich wiederhole es. Ich werde nicht zurücktreten.“ Am Freitag wollte er sich um Rückhalt im Kongress und bei den Koalitionspartnern bemühen.

Zahlen fürs Schweigen

Zunächst war ein Treffen mit Verteidigungsminister Raúl Jungmann von der Sozialistischen Volkspartei (PPS) vorgesehen, dessen Stuhl einigen Medienberichten zufolge ebenfalls bereits wackelte. Jungmanns Parteifreund, Kulturminister Roberto Freire, reichte bereits seinen Rücktritt ein. Nach einem Bericht der Zeitung „O Globo“ traf sich Temer Anfang März mit dem Chef des Fleischproduzenten JBS, Joesley Batista. Dieser habe Temer bei dieser Gelegenheit darüber unterrichtet, dass er Cunha, der in der Affäre um den staatlichen Ölkonzern Petrobras wegen Bestechlichkeit in Haft sitzt, für sein Schweigen bezahle.

Mit dem Mitschnitt lasse sich beweisen, dass Temer Batista in seinem illegalen Vorgehen bestärkt habe, berichtete „O Globo“ am Mittwochabend auf seiner Internetseite. Temers Büro wies die Vorwürfe umgehend zurück. Der Präsident habe niemals Zahlungen zugestimmt, mit denen das Schweigen seines Parteifreunds Cunha habe erkauft werden sollen. Der als PMDB-Hardliner bekannte Cunha gilt als Drahtzieher von Rousseffs Absetzung im vergangenen Jahr. Er soll Schmiergelder in Millionenhöhe auf geheimen Bankkonten in der Schweiz geparkt haben. Temers Partei war bis März 2016 Juniorpartner in der von Rousseffs gemäßigten Partei der Arbeit (PT) geführten Regierungskoalition.

Bericht war wie eine Bombe eingeschlagen

Der „O Globo“-Bericht war wie eine Bombe eingeschlagen. Binnen weniger Stunden wurden drei Anträge auf ein Amtsenthebungsverfahren gestellt. Die Opposition und Hunderte Demonstranten forderten Temers Rücktritt. Ein ranghoher Vertreter von Temers Hauptkoalitionspartner, der rechtsgerichteten Sozialdemokratischen Partei Brasiliens (PSDB), drohte mit dem Abzug seiner Minister, sollten sich die Vorwürfe bestätigen.

Brasiliens Finanzmärkte reagierten mit drastischen Kursstürzen, der Kurs des Real fiel bis zum Nachmittag um sechs Prozent. Die Entscheidung des Obersten Gerichts zugunsten von Ermittlungen gegen Temer heizte die Stimmung weiter an.

570.000 Euro Schmiergeld

Der ehemalige PSDB-Staatschef Fernando Henrique Cardoso (PSDB) riet Temer zum Rücktritt. Die Enthüllungen von „O Globo“ betreffen auch einen Vertrauten Temers, den einflussreichen PSDB-Senator Aécio Neves, der in der Stichwahl um das Präsidentenamt 2014 knapp gegen Rousseff verloren hatte.

Laut dem Blatt forderte Neves in einem ebenfalls von Batista mitgeschnittenen Gespräch umgerechnet 570.000 Euro Schmiergeld. Brasilianischen Medienberichten zufolge forderte die Generalstaatsanwaltschaft bereits die Festnahme des Senators. Das Oberste Gericht setzte sein Mandat aus, die Ermittler durchsuchten mehrere seiner Liegenschaften.

Mandat bis Ende 2018

Nach Rousseffs Amtsenthebung war ihr Temer als Vize-Präsident an die Staatsspitze nachgefolgt, sein Mandat läuft noch bis Ende 2018. Umfragen zufolge ist er in der Bevölkerung äußerst unbeliebt. Rousseffs Anhänger sehen sich durch die Enthüllungen von „O Globo“ in ihrem Vorwurf bestätigt, die Amtsenthebung der Präsidentin am 12. Mai 2016 sei ein kalter Staatsstreich der konservativen und rechtsliberalen Kräfte gewesen.