Anwälte fordern Freisprüche

Anwälte fordern Freisprüche
(Jean-Claude Ernst)

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Im Luxleaks-Prozess forderten die Anwälte des Angeklagten früheren Mitarbeiters von PricewaterhouseCoopers - PwC, Raphaël Halet einen Freispruch ihres Mandanten.

Das tat auch der französische Anwalt des mit-angeklagten Journalisten Edouard Perrin. Im Laufe ihrer Plädoyers erläuterten sie, dass PwC während der Ermittlungen wohl nicht voll und ganz mit der Luxemburger Justiz zusammen gearbeitet hat.

Symbolischer Euro

Als Anwalt der Nebenklägerin PricewaterhouseCoopers, ging Me Hervé Hansen auf die Entwicklung der Dinge aus Sicht der Steuerberatungsfirma PwC ein. Gleich eingangs hielt er fest, dass PwC unabhängig von der Strafe, die das Gericht für angemessen halte, nur 1 symbolischen Euro von den beiden Angeklagten Raphaël Halet und Antoine Deltour verlangen werde. Sicher wäre der Schaden höher, aber ihn genauer festzulegen sei kompliziert.

In eigenem Interesse

Den Angeklagten Raphaël Halet und Antoine Deltour stritt er ab „Whistleblower“ zu sein, die im allgemeinen Interesse gehandelt hätten. In diese Rolle seien sie erst geschlüpft, nachdem sie angeklagt worden seien. Eine Rolle, die ihre Verteidigung ersonnen habe.

Bei einer Vernehmung habe Halet ausdrücklich gesagt, dass es keinen politischen Hintergrund für das Entwenden und spätere Veröffentlichen von vertraulichen PwC-Daten gegeben habe. Und er habe gesagt, dass er den Namen von Deltour preisgegeben hätte, wenn der Journalist Perrin ihm diesen genannt hätte. Deltour hatte die ersten PwC-Dokumente kopiert und an Perrin weitergegeben.

Eben dem Angeklagten Deltour warf Hansen vor, nicht im Interesse der Allgemeinheit gehandelt zu haben, sondern in eigenem Interesse. Als Deltour in rund 29 Minuten 45.000 Seiten kopierte, sei es ihm nicht um das Sammeln von Fachwissen gegangen, sondern um das räuberische Mitnehmen des Knowhows von PwC.

Menschenrechtskonvention

Die Sicht des PwC-Anwalts sei falsch, so Me May Nalepa, Verteidigerin von Raphaël Halet. Dieser habe sich das Kostüm des Hinweisgebers nicht erst übergestreift, als es zu einer Anklage gekommen sei.

Für die Anwältin ist klar, dass Halet sämtliche Kriterien erfüllt, wie sie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Zusammenhang mit einem besseren Schutz für Hinweisgeber festgelegt hat.

Angesichts der politischen Entwicklungen innerhalb Europas im Steuerbereich nach der Veröffentlichung der Steuervorbescheide, die großen Konzernen minimale Steuersätze garantierten, sei klar, dass die Enthüllungen von Halet und Deltour von allgemeinem Interesse gewesen seien.

Ihr Mandant habe seiner Firma auch nicht übermäßig geschadet, was deren Bilanzen der letzten drei Jahren aufzeigen würden und er habe nicht aus Hass heraus gehandelt. Sie verlangt den Schutz von Halet gemäß Artikel 10 der Menschenrechtskonvention, sprich einen Freispruch.

Probleme mit Anklagepunkten

Auch im penalen Bereich sieht sie Probleme mit den Anklagepunkten. Ein materieller Diebstahl habe nicht stattgefunden, Halet habe keine Codes knacken müssen, um an Dokumente heranzukommen und es sei zweifelhaft, ob es sich bei den von Halet weitergeleiteten Steuererklärungen wirklich um Geschäftsgeheimnisse gehandelt habe.

Selbst PwC hätte in einer Stellungnahme unter Berufung auf das Antwortrecht nicht angesprochen sondern von großer Transparenz und öffentlichem Zugang im Zusammenhang mit den Dokumenten gesprochen.

Generelle Abrechnung

Zu einer generellen Abrechnung mit PwC und Steuerflucht geriet das Plädoyer von Me Colin Bernard, dem zweiten Anwalt von Raphaël Halet.

Es gehe nicht um einen Gesetzesverstoß von Halet sondern um Gesetzesverstöße von PwC, die Halet durch seinen eventuellen Gesetzesverstoß aufgedeckt habe. Und das sei im allgemeinen Interesse geschehen.

PwC habe nicht nur in Luxemburg Steueroptimierungsmodelle erarbeitet, und abgeschlossen, die den anderen Ländern nicht gemeldet worden seien, obwohl eine EU-Direktive aus dem Jahre 1977 dies vorsieht. Auch die loyale Zusammenarbeit zwischen den EU-Ländern sei nicht respektiert worden, ebenso wenig des Konkurrenzrecht.

PwC hat für Steuerflucht im großen Stile geworben, was auch gegen Bestimmungen über direkte EU-Beihilfen verstoße. So seien Starbucks und Fiat von der EU zu Rückzahlungen verurteilt worden und habe der französische Fiskus McDonald eine 300-Millionen Euro Nachzahlung zugestellt.

Justiz getäuscht?

PwC habe darüber hinaus auch die Luxemburger Justiz getäuscht. So habe sie gewusst, dass Raphaël Halet der zweite Hinweisgeber gewesen ist. Mit ihm hat sie ein Schweigeabkommen unterzeichnet und die Schadensersatzforderung auf 1 Euro fixiert.

All dies hat PwC aber der Luxemburger Untersuchungsrichterin nicht mitgeteilt. Erst als bei er Befragung von Deltour, drei Monate später, dieser auf 16 Dokumente aufmerksam gemacht hat, die nicht von ihm stammen konnten, sei man in Panik und mit konfusen Erklärungen mit dem Wissen über einen zweiten Hinweisgeber herausgerückt.

Dass es einen solchen gab, habe man verheimlichen wollen, um Kunden nicht nervös zu machen, so Colin Bernard. PwC sei eine Privatfirma. Steht PwC über dem Gesetz und über dem Staat, so Colin Bernard?

Auch Me Olivier Chappuis, Anwalt des Journalisten Edouard Perrin hieb in die gleiche Kerbe. Sein Mandat sei ein seriöser Journalist, der in 20 Jahren Berufsausübung noch nie vor ein Gericht zitiert worden sei.

Es sei inzwischen klar, dass nicht er versucht hat Halet zu kontaktieren, sondern umgekehrt. Und er habe auch nicht versucht Halet zum Diebstahl von bestimmten Dokumenten zu bewegen.

Die Anklage sei auf ein Missverständnis zurückzuführen, zu dem PwC aktiv beigetragen habe. Die Luxemburger Untersuchungsrichterin habe nie zum richtigen Zeitpunkt über die richtigen Dokumente verfügt. PwC habe ihr immer Elemente vorenthalten. Auch Cappuis verlangte Freispruch für seinen Mandanten.