„Aleppo wird ausgelöscht“

„Aleppo wird ausgelöscht“
(AFP/Karam Al-masri)

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Die Situation in Aleppo ist brutal: heftige Luftangriffe auf Rebellengebiete, Dutzende Tote, kein fließendes Wasser auf beiden Seiten. Die Regierung von Präsident Assad sieht sich auf dem Weg zum Sieg. Ban Ki Moon und John Kerry sind entsetzt.

Nach dem Zusammenbruch der Waffenruhe in Syrien haben Regierungstruppen mit Unterstützung aus der Luft ein von Rebellen gehaltenes Gebiet nahe Aleppo unter ihre Kontrolle gebracht. Einwohner der umkämpften Stadt bezeichneten die Luftangriffe am Samstag als das schwerste Bombardement des seit fünfeinhalb Jahren tobenden Bürgerkriegs. Es gab Dutzende Tote.

In der nordsyrischen Stadt verfügen fast zwei Millionen Menschen nach Angaben der Vereinten Nationen über kein fließendes Wasser mehr. Die Unicef-Vertreterin in Syrien, Hanaa Singer, sagte am Freitagabend, die vergangenen Angriffe hätten das Wasserwerk Bab al-Nairab beschädigt. Dieses versorge rund 250.000 Menschen in den von den Rebellen gehaltenen östlichen Teilen der Stadt mit Wasser.

Vergeltung

Als Vergeltungsmaßnahme sei die Pumpanlage Suleiman al-Halabi abgeschaltet worden, sagte Singer. Diese Anlage befinde sich ebenfalls in den von Rebellen kontrollierten östlichen Bezirken. Damit seien rund 1,5 Millionen Menschen in den von den Regierungstruppen gehaltenen Teilen der Stadt von der Wasserversorgung abgeschnitten. Singer sagte, wenn Kindern sauberes Wasser entzogen werde, sei die Gefahr groß, dass sie an Infekten erkrankten, die durch verunreinigtes Wasser übertragen werden.

Die Regierungstruppen nahmen das palästinensischen Flüchtlingslager Handarat vor den Toren Aleppos ein, während Luftangriffe auf Stadtteile in Rebellenhand nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte 52 Menschen töteten. Die sogenannten Lokalen Koordinationskomitees sprachen von allein 49 Getöteten am Samstag.
Der in Großbritannien ansässigen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wird die Opferzahl in Aleppo vermutlich noch weiter steigen, da sich viele Verletzte in einem kritischen Zustand befanden. Rettungskräfte gruben auf der Suche nach Überlebenden und Toten durch den Schutt.

„Schwarzer Tag für das globale Bekenntnis zum Schutz von Zivilisten“

Einwohner berichteten, dass die jüngsten Luftschläge die schlimmsten seit der Eroberung von Teilen der Stadt durch die Rebellen im Jahr 2012 gewesen seien. Allein am Freitag soll es zu Dutzenden Luftangriffen gekommen sein. „Aleppo wird ausgelöscht“, sagte ein rechtsmedizinischer Experte in der Stadt, Mohammed Abu Dschaafar.

International wurde die syrische Offensive in scharfen Tönen verurteilt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ließ durch einen Sprecher erklären, er sei wegen der militärischen Eskalation in Aleppo entsetzt. Es sei „ein schwarzer Tag für das globale Bekenntnis zum Schutz von Zivilisten“.

US-Außenminister John Kerry, der mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow über eine Wiederbelebung der Waffenruhe diskutiert, bezeichnete das Bombardement als völlig inakzeptabel. Er forderte Russland auf, Frieden nach Syrien zu bringen anstatt einen nicht zumutbaren Präzedenzfall für die gesamte Welt zu schaffen.

Mehr als 300.000 Tote, Hälfte der syrischen Bevölkerung vertrieben

Die syrische Regierung glaubt nach Angaben ihres Außenministers an einen militärisch herbeigeführten Sieg. Die syrische Armee mache große Fortschritte „in ihrem Krieg gegen Terrorismus“, sagte Walid al-Moallem am Samstag vor der UN-Vollversammlung in New York. Dabei werde sie von Russland, dem Iran und der libanesischen Hisbollah-Miliz unterstützt. Die Regierung in Damaskus sei entschlossener denn je, „Terrorismus“ in ihrem Land zu eliminieren.
Präsident Baschar al-Assad bekenne sich weiterhin zu politischen Verhandlungen unter UN-Schirmherrschaft, sagte Al-Moallem. Gleichzeitig fordere die Regierung zum einen gesteigerte Maßnahmen gegen den Terrorismus, zum anderen auch, dass die Syrer ihre Zukunft ohne Beeinflussung von außen selbst bestimmen dürften.

Aleppo ist in den vergangenen Monaten ein Epizentrum der Gefechte gewesen. Es ist das letzte größere städtische Gebiet in Oppositionshand. Eine Niederlage der Rebellen würde einen großen Wendepunkt in dem Konflikt markieren. Bislang wurden in dem Bürgerkrieg mehr als 300.000 Menschen getötet. Die Hälfte der syrischen Bevölkerung wurde aus ihren Häusern vertrieben.