„Artikel 50 wird Hauptstreitpunkt sein“

„Artikel 50 wird Hauptstreitpunkt sein“
(dpa / Julien Warnand)

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Die EU-Außen- und Europaminister trafen sich am Freitag zu einem ersten Meinungsaustausch in Luxemburg, wo sie den am Dienstag und Mittwoch stattfindenden EU-Gipfel vorbereiteten.

„Wir stehen heute vor einer Katastrophe, das ist klar“, sagte gestern etwas bedrückt der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn am Rande der Ratstagung auf Kirchberg. Vermutlich bis zum Oktober wird sich erst einmal alles um Artikel 50 des Lissabonner Vertrages drehen. „Das wird bis dahin der Hauptstreitpunkt sein“, meinte er weiter und verwies darauf, dass dieser Artikel den Austritt eines Mitgliedstaates aus der Europäischen Union regelt.

Der Haken bei der Sache: Der Artikel kann nur von dem austrittswilligen Land aktiviert werden. Und das könnte dauern. Denn der noch amtierende britische Premierminister David Cameron will die Prozedur nicht in Gang setzen. Denn ist einmal die nötige Notifikation beim Europäischen Rat eingetroffen, in der Großbritannien seinen EU-Partnern seinen Austrittswunsch offiziell mitteilt, läuft die Uhr.

Innerhalb einer Zwei-Jahresfrist muss ein Austrittsabkommen ausgehandelt sein. Wohl kann die Frist verlängert werden, doch bedarf es dazu Einstimmigkeit in der Runde der 28.
Quasi alle EU-Staaten hätten gestern den britischen Vertreter, den Staatssekretär für europäische Angelegenheiten, David Lidington, dazu gedrängt, dass das Land „so bald wie möglich“ und „ohne weiteren Verzug“ Artikel 50 aktivieren sollte. Womit sie auf einer Linie mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker liegen, der in Brüssel die Regierung in London bereits dazu aufgerufen hatte, die Prozedur „möglichst rasch“ einzuleiten.

Unklarheiten

Da sich David Cameron jedoch von seinem Posten als Premierminister zurückzieht und die Tories erst einen Nachfolger finden müssen, könnte sich das bis zum Oktober hinziehen. Und dann komme es darauf an, ob es ein Pro- oder Anti-Brexit-Premierminister werden wird, gab Jean Asselborn zu bedenken, ohne jedoch auf sich daraus ergebende Szenarien einzugehen.

Der luxemburgische Außenminister bedauert jedoch, dass während dieser Zeit juristische und politische Unklarheit besteht. Großbritannien habe aber bereits durchblicken lassen, dass sich das Land von gemeinsamen Missionen zurückziehen wolle, sagte Jean Asselborn weiter. Was jedoch nicht mit den geltenden Regeln im Einklang stehe, denn solange das Land Mitglied in der EU sei, müssten alle Rechte und Pflichten eingehalten werden.

Der Außenminister rief dazu auf, die Scheidung „zivilisiert“ über die Bühne zu bringen. Immerhin seien die Wirtschaften eng miteinander verflochten und es würde um Milliardensummen gehen.

Zudem warnte Jean Asselborn, die EU-Staaten dürften nicht in „eine Schockstarre verfallen. Zwar gehe ein großes Stück Europa verloren, doch wollten die 440 Millionen Menschen mit der Union weitermachen und die Konstruktion Europa verteidigen. Großbritannien sei zwar als ein weltoffenes Land bekannt. Das ist aber seit dieser Nacht nicht mehr der Fall“, meinte Jean Asselborn.

Dennoch müsse aufgepasst werden, dass beide Seiten jetzt nicht in Zwietracht verfallen und stattdessen eher danach trachten, bestehende Probleme gemeinsam zu lösen.
Am Samstag kam Jean Asselborn mit seinen fünf Amtskollegen aus den übrigen EU-Gründerstaaten zu weiteren Beratungen in Berlin zusammen.