Später ist jetzt

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(Ifinzi)

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"Marc Welters ..., wer?" Das werden wahrscheinlich in Zukunft immer weniger Menschen fragen. Mit "Joint Bunch" hat sich der luxemburgische Pianist und Komponist auf einen Weg gemacht, der jahrzehntelang brachlag.

Der erste Schritt ist getan. Mit einer „Crowdfunding“-Kampagne soll Geld zusammenkommen, um eine Demo-CD zu produzieren.

Ein sympathischer Glatzkopf mit Brille steht in der Tür und bittet herein. Der Ausblick im vierten Stock des Apartments mitten in der City von Luxemburg überrascht. Die avenue de la Liberté ist an diesem Morgen belebt. Passanten unterhalten sich oder hasten zur Arbeit, der Verkehr folgt dem ewig gleichen, undurchschaubaren Drehbuch.

Dazwischen ruht die mächtige, geschichtsträchtige Zuckerguss-Silhouette der ehemaligen Arbed-, danach ArcelorMittal-, jetzt Sparkassen-Hauptverwaltung. Diesen Ausblick hat Marc Welter, wenn er an seinem Keyboard sitzt und an neuen Kompositionen tüftelt. So lange, wie er das schon macht, hat er zumindest die beiden letzten Eigentümerwechsel in dem Gebäude miterlebt.

Auch der Rest der Wohnzimmereinrichtung spricht Bände über den Bewohner. Eine mit Schallplatten übersäte Wand auf der einen Zimmerseite und eine in die Wand eingelassene CD-Sammlung auf der anderen: Hier lebt jemand, der ohne Musik nicht sein kann.

Welters Biografie gleicht der vieler kreativer Köpfe. Sie ist gekennzeichnet von Brüchen und der Schwierigkeit, sich in starren Rahmen zurechtfinden oder sich mit Formalien arrangieren zu können. Da sind die leidige Schulkarriere, eine als unausweichliche Gegebenheit schließlich akzeptierte Ausbildung im klassischen Klavierspiel am „Conservatoire“, Partyjahre als DJ und Mitglied in verschiedenen Bands, bis die Musik schließlich ins geschäftliche Umfeld verbannt wird. Welter verkauft Audio- und Hi-Fi-Zubehör, ermöglicht Musikfans den Hörgenuss. Irgendwann wird er Teilhaber des Geschäfts. So wechselhaft diese Jahre scheinen, eine Konstante bleibt: Wann immer es die Zeit zulässt, komponiert er Musik zu Texten, die andere schreiben.

Er singt auf Englisch. Da gefällt ihm seine Stimme am besten. Zu hören bekommt es außer ihm und nahe stehenden Personen kaum einer. Die Musik bleibt in seinen vier Wänden, er macht das für sich. Jahrelang. Irgendwann, als das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends sich fast dem Ende zuneigt, kauft er, an dem die Revolution in der Musikindustrie vorbeigegangen ist, sich einen Computer. Er bastelt, wühlt sich mühsam durch Software, übt an Tonspuren und Mischungen und entdeckt die Vorteile der schnelllebigen Datenmengen.

„Intelligenter Pop“

Das Repertoire der Kompositionen wächst beständig, irgendwann schreibt er auch die Texte selbst. Da ergibt sich auch schon fast alles wie von selbst. Er lernt Musiker kennen, die die Kompositionen spielen wollen, alles Aspiranten auf dem Weg in Richtung Professionalität. Mehrmals wechselt die Besetzung, bis sich 2014 die Richtigen auf der gleichen Welle zusammenraufen: „Joint Bunch“ steht. Das sind acht überwiegend blutjunge, gut ausgebildete Musiker, die meisten sind nach der Schule schon wieder auf Konservatorien, um an ihrer Profikarriere zu schrauben. Bis dahin sind fast 25 Jahre vergangen.

Die Musik des erklärten Billy Joel-Fans klingt so wie sein Leben. Unorthodox, eigen. Ein bisschen Blues, ein bisschen Rock, Elemente von Reggae und viel Melodie, nie seicht, immer auf musikalisch hohem Niveau mit einer Stimme, die nach gelebtem Leben klingt.Das ist Musik, die in keine Kategorie passt. „Intelligente Pop-Musik made in Luxembourg“ hat das mal jemand genannt und damit den Nagel auf den Kopf getroffen.

Crowdfunding für den Weg in die Öffentlichkeit

Eines aber fehlt noch: eine Demo-Scheibe, mit der die Band sich bei Festivals und anderen Gigs bewerben kann. „In Luxemburg fehlt es an Auftrittsmöglichkeiten für größere Bands“, sagt Welter, „Musiker müssen spielen, um sich zu üben.“ Bei „Joint Bunch“ sind es gleich acht auf der Bühne, die die meisten Clubs mangels Platz nicht beherbergen können.

Aber auch das hält nicht davon ab, den einmal eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Die Musik muss endlich raus. „Crowdfunding“ auf der Plattform Kickstarter.com ist die Lösung. Letztes Wochenende war der Start der Kampagne, mit der 12.500 Euro zusammenkommen sollen, um das Tonstudio und einen Videoclip zu finanzieren. „Support music made in Luxembourg“ hat sich die Band mit Projektcharakter auf die Fahnen geschrieben. Da versteht es sich fast von selbst, dass alles von luxemburgischen Profis erarbeitet wird. Musikalisches Material ist mehr als genug vorhanden. Damit ist aus dem „später“ vieler Jahre schließlich doch noch ein „jetzt“ und sicherlich auch ein „unbedingt“ geworden.