Rücktritt – aber nicht sofort

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Der Cavaliere hat die Mehrheit in der Abgeordnetenkammer verloren. Nun will er die Konsequenzen ziehen. Silvio Berlusconi stellt seinen Rücktritt in Aussicht. Er hat noch eine Woche.

Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi ist zum Rücktritt bereit. Zuvor will Berlusconi ein Reformgesetz für mehr Wirtschaftswachstum durchsetzen, das er der EU zugesagt hat, wie Präsident Giorgio Napolitano am Dienstagabend mitteilen ließ. Napolitano hatte den Premier, der zuletzt auch mit Sex-Skandalen Schlagzeilen gemacht hatte, zu einem Krisengespräch getroffen: Berlusconi steht im Parlament inzwischen ohne Mehrheit da.

Italien ist hoch verschuldet, steht im Visier der Finanzmärkte und muss immer mehr Zinsen für frisches Geld bezahlen. Die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds IWF überwachen inzwischen die Sanierungsschritte Italiens.

Nach einer Abstimmung über die Maßnahmen im Stabilitätsgesetz werde es Konsultationen mit den Parteien geben, hieß es am Abend in Rom. Dabei wolle der Staatspräsident den Vorschlägen und Positionen der politischen Kräfte in Italien «höchste Aufmerksamkeit» widmen. Wann die Abstimmung erfolgt, war zunächst unklar.

Kritisches Votum

Zuvor hat es ein kritisches Votum im römischen Parlament unmissverständlich gezeigt: Berlusconi hat keine Regierungsmehrheit mehr. Eine Abstimmung über seinen Rechenschaftsbericht 2010 kam zwar durch, doch stimmten nur 308 der 630 Abgeordneten dafür. Die absolute Mehrheit wären 316 Stimmen gewesen.

In den dreieinhalb Jahren seines vierten Kabinetts hat Berlusconi mehr als 50 Mal erfolgreich eine Vertrauensfrage im Parlament überstanden. Im Oktober hatte Berlusconi nach dem ersten Scheitern des Rechenschaftsberichtes seines Kabinetts die Vertrauensfrage gestellt und dabei noch genau die erforderlichen 316 Ja-Stimmen bekommen. Er hatte im Frühjahr 2008 mit 344 Abgeordneten begonnen.

Der 75 Jahre alte Regierungschef berief unmittelbar nach der Abstimmung eine Krisensitzung mit den Spitzen der Regierung ein. Zu den Teilnehmern gehörten Wirtschaftsminister Giulio Tremonti, Innenminister Roberto Maroni und der Chef der Koalitionspartei Lega Nord, Umberto Bossi.

Lega-Nord

Lega-Chef Bossi hatte Berlusconi vor dem Votum aufgefordert, sein Amt aufzugeben. Stattdessen solle der Chef der Regierungspartei PdL (Volk der Freiheit), Angelino Alfano, den Posten übernehmen. Zuvor hatte die Lega jede Änderung in der Regierung ohne Neuwahlen abgelehnt.

Italien weist nach Griechenland den höchsten Schuldenstand der Eurozone gemessen an der Wirtschaftsleistung auf. Angesichts seiner schwindenden Regierungsmehrheit gelang es Berlusconi trotz der Verabschiedung von zwei Sparpakten und allen Versprechungen gegenüber Brüssel bislang nicht, die Finanzmärkte zu beruhigen.

Auf die jüngste Entwicklung reagierte der italienische Anleihemarkt am Dienstag so: Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen schnellten am späten Nachmittag auf den neuen Rekordwert von 6,7 Prozent hoch.