Parlament und Regierung entschuldigen sich

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(dpa/Symbolfoto)

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Es hat 70 Jahre gedauert, bis sich das Parlament und die Regierung offiziell bei den Juden in Luxemburg entschuldigt. Am Dienstag war es soweit.

Mit dem heiklen Thema der Judenverfolgung in Luxemburg hat sich nach der Veröffentlichung des Artuso-Berichts des gleichnamigen Historikers eine Kommission im Parlament beschäftigt. Über sieben Sitzungen wurde an einer Resolution gefeilt. Darin will man sich jetzt, 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs bei den Juden in Luxemburg enschuldigen. Am Dienstag wurde die Resolution einstimmig verabschiedet. Die Debatte im Parlament hatte eine klare Aussage. Hier einige Auszüge:

„Wir hatten einen Spiegel, der jahrelang auf einem Speicher lag, in den sich aber bislang keiner getraut hatte reinzuschauen. Mit dem Artuso-Bericht (Link) und der heutigen Debatte schließt sich ein Kreis, betont Eingangs Premierminister Xavier Bettel (DP). Er dankt allen Beteiligten für die „ehrliche und offene Debatte bei dem dunklen Kapitel“ der Geschichte Luxemburgs. Er unterstreicht gleichzeitig, dass die Erforschung weitergehen wird. Er entschuldigt sich im Namen der Regierung bei der jüdischen Bevölkerung in Luxemburg.

„Feindliche Stimmung“

Alex Bodry (LSAP) stand der Kommission vor. Er spricht am Dienstag vor dem Parlament von einem „blutigen Tribut Luxemburgs.“ „70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges rückt die Frage der Shoah endlich ins Zentrum einer Debatte im Parlament. In den 1930ern und 1940ern gab es eine feindliche Stimmung gegen Juden in Luxemburg. Luxemburger fügten den Juden großes Leid zu,“ betont Bodry und spricht von einem „starken symbolischen Akt.“ „Das Parlament entschuldigt sich bei den jüdischen Mitbürgern Das sind wir allen Menschen in diesem Land schuldig, die unter der Naziherrschaft gelitten haben.“

„Wir wollen nicht mit dem Finger auf jemanden Zeigen. Hier geht es um Nuancieren, nicht um Denunzieren. Wir alle sind gefordert Toleranz zu leben. Als CSV stehen wir hinter der Entschuldigung des Parlaments,“ unterstreicht Serges Wilmes in seiner Rede vor dem Parlament.

Debatte ohne Tabu

Franz Fayot (LSAP) spricht von einer wichtigen Aufarbeitung der Geschichte. „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen,“ betont er vor dem Parlament. Er kritisiert, dass die historische Aufarbeitung, der Bau eines Monuments und eines Dokumentationszentrums 15 Jahren ins Land gingen. „Hier gehe es schließlich um eine objektive Geschichtsschreibung,“ so Fayot. Er fordert in dem Zusammenhang eine öffentliche Debatte ohne Tabu.

„Der Artuso-Bericht ist eine wichtige Arbeit für die Aufarbeitung und Entwicklung der jüdischen Geschichte in Luxemburg. Er zeigt, wie es überhaupt möglich war, dass Luxemburger Bürger ihre Arbeit und ihr Hab und Gut auf Grund ihres Glaubens einfach so verloren haben“ erklärt Viviane Loschetter (déi gréng). „In den 1930er wurde Antisemitismus in Luxemburg „salonfähig. Wir tragen hier im Parlament Verantwortung, dass die Geschichte auch weiterhin aufgearbeitet wird. Das sind wir den Menschen schuldig,“ unterstreicht Loschetter.

Geschichte konstruiert

„Die Entschuldigung gegenüber der Juden ist richtig und wichtig. Der Artuso-Bericht müsse aber kritisch betrachtet werden, so Fernand Kartheiser (ADR) vor dem Parlament. Die Beweislage ( Gegen Mitarbeiter der Verwaltungskommission unter den Nazis in Luxemburg) sei allerdings zum Teil sehr schwach. Er stellt die Frage in dem Raum, ob hier nicht auch Geschichte konstruiert werde. Der Artuso-Bericht (Link) müsste auch aus einem anderen Winkel beleuchtet werden, fordert der ADR-Politiker.

Serge Urbany (déi Lénk) begrüßt im Namen seiner Partei die Resolution des Parlaments. „Der Artuso-Bericht deckt viel auf. Der Antisemitismus war aber auch nach dem Krieg noch Thema in Luxemburg,“ betont Urbany. Die Menschenrechte müssen darum heute mit Nachdruck verteidigt werden. „Wir müssen gegen alle Formen von Rassismus und Antisemitismus kämpfen, unterstreicht der Abgeordnete.“

Vor dem Einmarsch der deutschen Besatzungstruppen 10. Mai 1940 lebten rund 3700 Juden in Luxemburg. Ende Oktober 1941, nachdem der Gauleiter einen Auswanderungsstopp verhangen hatte, waren es rund 700. Nach Schätzungen wurde ein Drittel der vor dem Krieg in Luxemburg lebenden Juden ermordet. Anfang Februar veröffentlichte eine Forschergruppe an der Universität Luxemburg unter der Leitung von Vincent Arturo
den sogenannten Artuso-Bericht über die Verfolgung von Juden in Luxemburg.

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