Milliarden am Fiskus vorbei

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Internationale Konzerne haben Hunderte Milliarden Dollars durch Luxemburg geschleust und damit Milliarden an Steuern gespart. Das geht aus Geheimdokumenten hervor, die am Mittwochabend von ausländischen Medien veröffentlicht wurden.

Rund 28.000 geheime Dokumente hat das International Consortium of Investigative Journalists mit Sitz in Washington veröffentlicht. 80 Journalisten aus 26 Ländern haben während Monaten die Unterlagen gesichtet. Im Fokus: Luxemburg und seine Abmachungen mit mehr als 340 großen Konzernen. Eingefädelt wurden die Deals zur sogenannten Steueroptimierung durch die Beraterfirma PricewaterhousCoopers (PwC). Die von IJIC veröffentlichten Dokumente umfassen den Zeitraum 2002 bis 2010.

Anhand komplexer Konstrukte, die sich auf den in Luxemburg gängigen Gesetzen gründeten, ließen große Gesellschaften ihr Geld über Luxemburg transitieren, um auf diese Weise Steuern in ihren jeweiligen Heimatländern zu sparen. Die Dokumente geben Aufschluss über Hunderte sogenannter Rulings-Abmachungen zwischen den Firmen und der Luxemburger Steuerbehörde. Darin vereinbarten beide Seiten, welche Steuerbeträge die Firma zu zahlen habe. Die meisten der 548 nun veröffentlichten Abmachungen wurden von einem Beamten der Steuerverwaltung, Marius Kohl, unterschrieben. Kohl ist heute im Ruhestand.

Unter den implizierten Firmen findet sich alles was international Rang und Namen hat. Angefangen vom schwedischen Möbel- und Inneneinrichtungsfabrikanten Ikea, über den Eletronikriesen Apple, den russischen Erdgaslieferanten Gasprom, den Brausehersteller Pepsi, das Finanzhaus Deutsche Bank bis zum Online-Händler Amazon. Allein aus Belgien seien 26 Unternehmen impliziert, so „Le Soir“, die an den Recherchearbeiten beteiligt war. Genannt werden GBL, Belgacom, Banque Degroof oder die Familie de Spoelberch, Großaktionärin des Brauereigiganten AB InBev.

1,04 Prozent Steuern

Mehr als 170 der 500 größten US-Unternehmen, die von Fortune 500 aufgelistet werden, hätten eine Niederlassung in Luxemburg, so die Brüsseler Zeitung am Donnerstag. Allein 2012 ließen sie 95 Milliarden Dollar Gewinn über Luxemburg transitieren und zahlten dabei 1,04 Milliarden Steuern in Luxemburg, was einem Steuersatz von 1,04 Prozent entspricht, so Le Soir. So zahlte beispielsweise das amerikanische Logistikunternehmen FedEx Corp laut ICIJ dank des Luxemburger Schlupflochs nur noch 0,25 Prozent Steuern auf das Betriebseinkommen, 99,75 Prozent blieben steuerfrei.

PwC hat sich bisher jeglichen Kommentars enthalten. Sollten die Dokumente echt sein, dann seien sie entwendet worden, ließ PwC gegenüber Le Soir ausrichten. Sie seien in diesem Fall von einem ehemaligen Angestellten von PwC Luxemburg geklaut worden.

Seit längerem im Visier der EU-Kommission

Die EU-Kommission hat seit längerem bereits Ermittlungen gegen Luxemburg wegen der vermeintlichen Gewährung von Steuervorteilen an einzelne Unternehmen wie Amazon oder die Konzernbank von Fiat, „Fiat Finance and Trade“, aufgenommen.

Sowohl Premierminister Xavier Bettel als auch Finanzminister Pierre Gramegna haben bisher stets betont, dass Luxemburg sich nichts Illegales vorzuwerfen habe. Am Mittwoch jedoch hat Gramegna angedeutet, dass im Hinblick auf eine Vereinfachung der Besteuerung von internationalen Unternehmen, die Regierung darauf achten werde, ob es Substanz eines Unternehmens im Land gibt. Denn nur dann entziehe sich Luxemburg der Kritik, ein Finanzparadies zu sein.

Junckers Amtszeit in Luxemburg

Die EU-Kommission hat jedoch nicht nur Luxemburg wegen unorthodoxer Steuerpraktiken im Visier. Ähnliche Vorwürfe erhebt die Brüsseler Behörde auch gegen Irland wegen angeblicher Begünstigung von Apple und gegen die Niederlande (Starbucks).
Die Datensätze aus Luxemburg stammen aus den Jahren 2008 bis 2010 und fallen damit in die Amtszeit des damaligen Premierministers Jean-Claude Juncker. Der ist jetzt EU-Kommissionspräsident und ermittelt sozusagen gegen sich selbst. Er kündigte aber bereits an, sich in die Ermittlungen nicht einzumischen. „Ich werde keinen Einfluss nehmen und werde mein Amt nicht missbrauchen,“ so Juncker gegenüber dem deutschen Fernsehsender ARD.