Menschliche Embryonen im Labor

Menschliche Embryonen im Labor
(Waltraud Grubitzsch)

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Forscher haben einwöchige menschliche Embryonen für zwei Wochen im Labor heranwachsen lassen. Sie reiften ganz ohne mütterliches Zutun.

Erstmals haben Forscher die Entwicklung menschlicher Embryonen zwei Wochen lang detailliert in Kulturschalen beobachtet. Die Embryonen setzten sich im Alter von etwa einer Woche an eine künstliche Substanz statt in die Gebärmutter und entwickelten sich weiter. In einem Prozess der Selbstorganisation schlügen die Embryozellen unterschiedliche Entwicklungswege ein, völlig unabhängig von mütterlichen Einflüssen, berichten die Wissenschaftler in zwei Studien, die in den Fachblättern „Nature“ und „Nature Cell Biology“ veröffentlicht sind. Ihre Arbeiten könnten unter anderem dazu beitragen, die Ursachen von sehr frühen Fehlgeburten besser untersuchen zu können.

In einem Kommentar zu den Studien fordern die US-Wissenschaftler Insoo Hyun, Amy Wilkerson und Josephine Johnston die bisher in vielen Ländern praktizierte „14-Tage-Regel“ auf den Prüfstand zu stellen. Nach dieser Regel dürfen Embryonen maximal 14 Tage außerhalb des mütterlichen Körpers im Labor heranwachsen. Die vorgestellten Untersuchungen befänden sich auf Kollisionskurs mit dieser Linie, schreiben die Kommentatoren in „Nature“. Da nun die Kultivierung menschlicher Embryonen über den 14. Tag hinaus greifbar erscheine, müsse die Regelung neu überdacht werden, um auch in Zukunft der Forschung und eventuellen moralischen Bedenken gerecht zu werden.

14-Tage-Regel

Die „14-Tage-Regel“ gelte für Embryonenforscher in Ländern wie Australien, Kanada und den USA, aber auch in einigen europäischen Ländern wie Dänemark, Schweden oder Großbritannien. In einigen dieser Länder sei sie im Gesetz verankert, in anderen Teil wissenschaftlicher Richtlinien.

Befruchtete Eizellen nisten sich etwa am Tag sieben ihrer Entwicklung als kugeliger Zellhaufen in der Gebärmutterschleimhaut ein. Anschließend spezialisieren sich die Zellen. Aus einigen geht der Embryo selbst hervor, aus anderen die Plazenta, die seine Ernährung in der Schwangerschaft sicherstellt. „Dieser Teil der menschlichen Entwicklung war eine völlige Black-Box“, berichten die Forscher um Ali Brivanlou von der Rockefeller University in New York, der das erste Team geleitet hat.

Neue Möglichkeiten

Das Zellkultursystem ermögliche es zu untersuchen, warum einige Schwangerschaften so früh enden und warum die Methoden der künstlichen Befruchtungen so geringe Erfolgsraten besitzen, hoffen die Wissenschaftler. Außerdem könne die Technik genutzt werden, um die Entwicklung von Therapien mit embryonalen Stammzellen voranzubringen.

Die Studien legten die Grundlage für ein besseres Verständnis der embryonalen Entwicklung über die Einnistung hinaus, schreibt Janet Rossant vom Hospital for Sick Children in Toronto (Kanada) in einem erläuternden Kommentar zu den Studien. Mit ihrer größtenteils abgeflachten und zwei-dimensionalen Gestalt seien die kultivierten Embryonen aber eindeutig keine perfekten Modelle der normalen dreidimensionalen embryonalen Entwicklung.