Steuerhoheit = Kernfrage

Steuerhoheit = Kernfrage

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Luxemburg ist immer für negative Schlagzeilen gut.

Vor ein paar Monaten, als Juncker vom Parlament als EU-Kommissionspräsident durchgeboxt wurde, stellte die Londoner Presse „uns“ dar wie den letzten Dreck; jetzt sind „wir“ die größten Steuerschmarotzer aller Zeiten, weil aufwendig publiziert wurde, was sowieso seit Jahrzehnten bekannt ist. Große, europa- und weltweit operierende Firmen nutzen die Vorteile, die ihnen das Luxemburger Steuerrecht möglicherweise bieten kann, mit letzter Konsequenz. Wieso auch nicht?

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Die Steuerhoheit eines Staates kann nicht einfach infrage gestellt werden, weil dieser Staat eine günstigere Besteuerung als andere zulässt. Luxemburg hat als souveräner Staat das verbriefte Recht, seine Steuerpolitik im Rahmen der multilateralen bzw. europäischen Verträge so zu gestalten, wie es seine Interessen verlangen. Dass es dabei zu Vereinbarungen kommt, die, von außen her betrachtet, skandalös erscheinen, mag durchaus sein: Zum Fehler, zum Verstoß würden diese Abschlüsse erst dann, wenn sie formale Abkommen verletzen würden.

Geschah solches im LuxLeaks-Fall? Man warte das Ergebnis der laufenden EU-Ermittlungen ab, deren zurzeit auch in den Niederlanden und in Irland erfolgen. Keine Vorverurteilungen!

Die Angelegenheit lässt sich natürlich auch von der hohen moralischen Warte betrachten. Wer das tut, sollte einiges bedenken. Zum Beispiel, dass die Großmächte, die einst das unabhängige Luxemburg schufen, weil es sie arrangierte, dem Land implizit genau jene Souveränität gaben, die es braucht, um sich seine Überlebensnischen zu konstruieren. Wie sollte man denn auf 2.586 Quadratkilometern 560.000 Einwohnern und 170.000 Grenzgängern aus Frankreich, Deutschland und Belgien ein ordentliches Leben bieten, wenn auch das untersagt wäre, was nicht verboten ist?

Die großartigen Luxemburg-Kritiker sollten, der Fairness halber, zugeben, dass, wer in Luxemburg arbeitet, hohe Steuern ohne viel Möglichkeit zu Vergünstigungen bezahlt. Dass diese Steuern u.a. zur Finanzierung einer beispielhaften Sozialpolitik verwendet werden, nicht zuletzt in mehreren Entwicklungsländern. Dass Luxemburg den Frieden und das gute Einvernehmen zwischen den Völkern mit Engagement und Geld fördert, wo es nur kann. Dass das kleine Land als Gründungsmitglied u.a. der Europäischen Nation von Natur aus verbindliche Verträge wünscht, herbeiführt und einhält.

Man wünschte sich, die Enthüllungsjournalisten, die den Luxemburger Lukas hauen, würden sich ernsthaft für die Verbrechen aus Staatsräson interessieren, welche die führenden Mächte aus geostrategischen und wirtschaftlichen Gründen tagaus, tagein begehen. Aber dazu fehlt ihnen der Mut, fehlen ihnen die Informanten.

Apropos: Wer verschaffte sich die Unterlagen, wer steckte sie den großen Zeitungen frei Haus zu? Wer zieht Nutzen aus den LuxLeaks? – Auf die politischen Reaktionen der EU-Partner sind wir gespannt. Sie werden erste Rückschlüsse gestatten.