Spektakel

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(Tageblatt)

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„Der Mythos lebt“, hieß es an dieser Stelle vor drei Wochen. Und in der Tat hielt die 102. Tour de France das, was man sich im Vorfeld versprochen hatte.

Das Radsportspektakel war perfekt von den Organisatoren inszeniert worden. Eine erste Woche mit einem langen Zeitfahren, mit Windkantenfahren am Meer, packenden Schlussanstiegen in Huy oder in Mûr-de-Bretagne. Und dann das Hochgebirge mit dem absoluten Höhepunkt auf der Alpe d’Huez am vorletzten Tour-Tag. Die Protagonisten um den Gesamtsieg spielten mit, der Kolumbianer Quintana verlangte dem Schlussgewinner Froome bis in den letzten Anstieg alles ab und brachte den zuvor souveränen Briten doch noch ein wenig ins Wanken. Eine Minute und zwölf Sekunden Abstand nach insgesamt 3.360 km zwischen den beiden Männern in Paris, das zeugt von Spannung – und von der Dominanz der beiden Erstplatzierten.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Was dann, wie könnte es auch anders sein nach Festina, Telekom, Armstrong, Fuentes, Riis, Landis, Contador, „pot belge“ oder Astana, die Frage nach der Glaubwürdigkeit aufwirft. Können Froome und Quintana sauber gewesen sein? Froome, der mit seinem unorthodoxen Stil den Col de Soudet in den Pyrenäen schneller hinaufflog als Armstrong und Co.? Quintana, der in den Alpen unglaublich aufdrehte und im Endeffekt die Tour in der ersten Woche verlor?

Froomes Sky-Team sah sich nach einem Bericht des französischen Fernsehens genötigt, Leistungsdaten seines Fahrers zu veröffentlichen, was letzten Endes zu noch mehr Konfusion führte. Und der Kolumbianer Quintana musste sich von der Konkurrenz Untertöne gefallen lassen, da in seinem Heimatland scheinbar laxer nach Doping gefahndet wird als in Europa. Respekt scheint das Gelbe Trikot des Gesamtführenden jedenfalls nicht mehr jedem abzunötigen. Froome musste sich auf seinem Weg zum zweiten Toursieg von sogenannten Fans am Straßenrand nicht nur so manches anhören, er wurde sogar mit einem Urinbecher beworfen. Unnötig zu betonen, dass so etwas viel zu weit geht. Zumal es keinen Grund gibt, anzunehmen, dass Froome gedopt war und der ganze Rest nicht.

Mit Bestimmtheit kann wohl nur behauptet werden, dass das systematische, hemmungslose und flächendeckende Doping im Radsport dank Blutpass und verbesserter Kontrollmechanismen passé ist. Dass im Peloton aber mit Mikrodosierungen illegal nachgeholfen wird, davon gehen die allermeisten Experten auch weiterhin aus.

Wie auch immer, auch aus Luxemburger Sicht war die 102. Tour de France jedenfalls extrem interessant. Denn es war die Tour der neuen Fahrergeneration. Und die Wachablösung nach der erfolgreichen Kirchen- und Schleck-Ära ist gelungen. Zwar mussten Ben Gastauer und Laurent Didier krankheitsbedingt vorzeitig die Segel streichen, dafür aber ging der Stern des Bob Jungels am Tour-Himmel auf. Seine tollen Auftritte nach einem etwas holprigen Beginn machen Hoffnungen auf die Zukunft.