Nichts gelernt

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(Alain Rischard/editpress)

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Die Finanzkrise liegt bereits einige Jahre in der Vergangenheit. Und fast fühlt es sich an, als hätte sie nie stattgefunden.

Wie vor der Krise klagen die Finanzinstitute (auch solche, die von Staaten gerettet wurden) heute wieder über zu viel Regulierung. Und die möglicherweise wichtigste Lehre aus der Krise, die zu enge Verknüpfung zwischen Staaten und Banken, wurde nie gezogen.

Christian Muller cmuller@tageblatt.lu

So müssen Banken, wenn sie einem Häuslebauer oder einem Unternehmer einen Kredit gewähren, Kapital zur Seite legen, um gegen einen eventuellen Zahlungsausfall abgesichert zu sein. Investiert die gleiche Bank aber in Staatsanleihen eines europäischen Landes, dann muss die Bank null (!) Risikokapital für einen möglichen Zahlungsausfall zur Seite legen.

Für die Banken ist dies ein einträgliches Geschäft. Sie können so viel Geld einsetzen, wie sie wollen – und dann die Zinsen kassieren. Risiko-Reserve ist nicht nötig. Im Krisenfall wird der Steuerzahler die Bank retten.

Hintergedanke der europäischen Regel war die Idee, dass Staatsanleihen eine sichere Sache seien. Staaten könnten nicht pleitegehen, und daher sei ein Invest in Staatspapiere komplett ohne Risiko. Dass dem nicht so ist, müsste seit dem Schuldenschnitt in Griechenland auch allen Nicht-Experten bewusst sein. Dabei ist Griechenland nicht der einzige Staat, der Schulden nicht begleichen will. Auch nördlicher, in Österreich, tut sich der Staat schwer damit, die vom Bundesland Kärnten garantierten Schulden der Hypo Alpe Bad Bank zurückzuzahlen. Von diesem Zahlungsausfall ist auch die Dexia-Gruppe betroffen – die wiederum auf einer staatlichen Garantie aus Luxemburg, Belgien und Frankreich sitzt.

Dabei gibt es nicht einmal Regeln, die den Banken vorschreiben, wie viele Staatsanleihen sie in ihrer Bilanz halten dürfen. Bei Großkrediten an Unternehmen darf die verliehene Summe maximal ein Viertel des Eigenkapitals der Bank betragen. So ist die Bank nicht gleich pleite, wenn ein Kreditnehmer nicht mehr zahlt.

Anfang April hatte auch die neue Chefin der europäischen Bankenaufsicht, Danièle Nouy, in einem Handelsblatt-Interview eine Obergrenze für den Kauf von Staatsanleihen durch Banken gefordert. Auch im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht laufen Diskussionen. Passiert ist aber nichts. Und das wird es in absehbarer Zukunft auch nicht. Weder die Banken noch die Politik scheinen diese regulatorische Sonderbehandlung für Staatsanleihen beenden zu wollen. Für die Banken würde eine einfache Einnahmequelle versiegen – während sich die Regierungen nach neuen Geldgebern umschauen müssten.

Eine Erklärung hinter dieser flagranten Untätigkeit ist, dass viele Banken noch Milliardenbestände an Staatsanleihen halten. Würde eine Kreditgrenze für diese Papiere eingeführt, dann müssten Schuldtitel im Wert von mehr als 720 Milliarden Euro den Besitzer wechseln. Allein die National Bank of Greece hatte Ende 2013 einen Bestand an griechischen Staatsanleihen, der doppelt so groß wie ihr Eigenkapital war.

Der Leidtragende bei diesem besonderen europäischen System ist der Steuerzahler. Er muss einspringen, um Banken zu retten, wenn ein Staat pleitegeht. Schuld ist dann die Bank. Die Politik darf Retter spielen. Dass sie aber selbst die Banken praktisch angestiftet hat, in Staatsanleihen (und nicht in Kredite für Unternehmen) zu investieren, interessiert niemanden.