Nicht aus den Augen verlieren

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Eigentlich müssten sich Demokraten und Menschenrechtler bei den aktuellen Funktionären der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands bedanken.

Immer wieder lässt sich beobachten, wie die rechtsextreme Partei es schafft, sich trotz einer teilweise erfolgreichen Neuorientierung selbst zu schwächen und jeglichen Zweifel an ihrer Verfassungsfeindlichkeit aus der Welt zu räumen. So wurde der Hamburger NPD-Landeschef Thomas Wulff am Montag seines Amtes enthoben, weil er sich bei einer öffentlichen Parteiveranstaltung als Nationalsozialist bezeichnet hatte. Im Grunde ist diese Haltung nicht weiter überraschend für einen NPD-Funktionär.

Damien Valvasori dvalvasori@tageblatt.lu

Allerdings passt dieses „Outing“ so gar nicht zur neuen Strategie, mit welcher sich die NPD als bürgerlich-konservative Partei und Vertreter der sozial Schwachen darstellen will. So werden im Osten Deutschlands bereits Jugendclubs und Beratungsgespräche für Arbeitslose mit Erfolg organisiert. Als Vorbild dient hier die rechtsextreme Front national (FN). Nach der französischen Präsidentschaftswahl 2002 hat diese unter der Führung von Marine Le Pen eine strategische Neuorientierung eingeleitet. Oberstes Ziel: die FN zu „entdämonisieren“. Rassismus und Antisemitismus werden seither nicht mehr öffentlich propagiert, stattdessen wird ein sozialer Diskurs eingeschlagen, der die „Verlierer“ der Globalisierung – wie beispielsweise Langzeitarbeitslose – ansprechen soll. Eine Verschleierungsstrategie, die sich auch andere rechtsextreme europäische Parteien wie die niederländische Partij voor de Vrijheid (PVV) oder die belgische Vlaams Belang aneignen.

Dilettantische Öffentlichkeitsarbeit

Obwohl die NPD in zwei Landtagen vertreten ist, in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen, schafft sie es nicht, den Beispielen ihrer europäischen „braunen“ Vorbilder auf nationaler Ebene zu folgen. Eine wichtige Erklärung hierfür ist – neben der Assoziation der NPD mit den Schrecken des Nationalsozialismus – die Öffentlichkeitsarbeit des NPD-Personals, die erste Erfolge einer strategischen Neuorientierung torpediert. Solange Politiker wie der Parteivorsitzende Udo Pastörs die Bundesrepublik Deutschland öffentlich als „irreparable, verfaulte Republik“ und „Konstrukt der Siegermächte“, das „zum Einsturz gebracht werden muss“, bezeichnen oder Rudolf Heß als „absoluten Idealisten“ darstellen, der „mit Ghandi vergleichbar ist“, ist es trotz neuer Ansätze nicht besonders schwierig, die NPD als das zu erkennen, was sie ist: eine Partei von verfassungsfeindlichen Nazis. Dennoch gilt es, die NPD nicht zu unterschätzen geschweige denn aus den Augen zu verlieren. So hat beispielsweise die FN gezeigt, dass es auch als rechtsextreme Partei möglich ist, innerhalb eines Jahrzehnts einen Imagewandel zu vollziehen und zu einer „führenden“ Partei zu werden. Bei den kommenden Europawahlen könnte die FN laut letzten Umfragen sogar zur stärksten Partei in Frankreich werden.

Die große Herausforderung besteht also darin, die Verschleierungsstrategie rechtsextremer Parteien zu entlarven. Auch wenn die NPD durch ihr eigenes Unvermögen – diese Woche ist vom Rücktritt des NPD-Generalsekretärs Peter Marx nach einem Sexskandal geprägt – weit entfernt von einer FN ist, bleibt jede rechtsextreme Partei per Definition eine Gefahr für den Frieden, die Demokratie und die Menschenrechte. Sich auf die momentan desaströse Öffentlichkeitsarbeit der NPD zu verlassen, könnte gefährlich werden, zumal sich trotz eines inkompetenten Führungspersonals vermeintlich soziale Projekte wie eben Jugendclubs – in denen sich Kinder und Jugendliche spielerisch das „braune“ Gedankengut aneignen sollen – als Erfolg erweisen.

Um einen Imagewandel zu verhindern, gilt es, auch in Zeiten eines vermeintlichen Untergangs der NPD jeden propagierten Kurswechsel aufmerksam zu verfolgen und anzuprangern.