Moneytalks

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Wenn ein fast 60-Jähriger mit schütterem Haar in einer Schuluniform Gitarre spielend auf der Bühne Sprints hinlegt und auf dem Boden liegend ekstatische Pirouetten dreht, dann ist eine der wohl populärsten Rockgruppen der Musikgeschichte auf Tour.

Das Erfolgrezept von AC/DC ist dabei seit Jahrzehnten das gleiche: einfache Melodien, einfache Texte und vor allem immer wieder die gleichen alten Hits. Die Fans lieben das. Ganz so, als sehnten sie sich in unserer schnelllebigen Zeit nach Altbekanntem. Eine Bastion des guten alten Rock ’n’ Roll gegen all den musikalischen Müll, der heutzutage aus dem Radio kommt.

Michel Philip mphilip@tageblatt.lu

Obwohl Mitgründer Malcolm Young wegen fortgeschrittener Demenz die Band Anfang des Jahres verlassen musste und Schlagzeuger Phil Rudd unter Hausarrest steht, gaben AC/DC am vergangenen Wochenende die Daten der Welttournee 2015 bekannt. Und siehe da, die meisten Konzerte auf den großen Festivalwiesen bzw. in den Fußballstadien waren binnen weniger Stunden ausverkauft.

Über 200 Millionen Tonträger haben die Australier seit ihrer Gründung im Jahr 1973 verkauft. Die AC/DC-Konzerte laufen stets nach demselben Schema ab: zwei bis drei neue Songs, der Rest ist Bekanntes, bereits tausendmal Gehörtes. Genau das wollen die Fans, und genau das liefert die Band. Mit dem Resultat, dass die Gruppe stets in ausverkauften Arenen auftritt und damit jede Menge Geld verdient.

Im digitalen Zeitalter ist mit dem Verkauf von Tonträgern kein Geld mehr zu machen, weshalb Musiker zwangsläufig auf Tour gehen müssen. Wurden in Deutschland im Jahr 2000 noch 2,6 Milliarden Euro in der Musikbranche umgesetzt, so waren es 2010 nur noch 1,5 Milliarden. Grund für den Einbruch sind in erster Linie die illegalen Downloads aus dem Internet. Allein in Deutschland wurden 2009 derer 258 Millionen gezählt bzw. geschätzt.

Dabei war die Musikindustrie bis zum Ende des 20. Jahrhunderts verwöhnt. Durch die Einführung der CDs gab es von 1983 bis 1996 ein stetiges Wachstum zu verzeichnen. Doch dann waren die alten Vinylsammlungen endgültig durch CDs ersetzt und das Internet bot ganz neue Möglichkeiten. Immerhin verzeichnete die Branche 2012 erstmals wieder ein leichtes Wachstum, was auf immer professionellere Bezahlkanäle à la iTunes zurückzuführen ist. 2013 bestätigte sich der Trend.

AC/DC kann das egal sein. Sie produzieren neue Alben weniger aus künstlerischem Antrieb, sondern vielmehr als Anlass, um auf Tour gehen zu können. Für die Band reicht eine Welttournee alle fünf Jahre, um anständig über die Runden zu kommen. Bei der letzten Konzertreihe wurden fünf Millionen Zuschauer gezählt. Damals kostete die Eintrittskarte für den Auftritt in Köln regulär rund 80 Euro, nun werden Preise jenseits der 100 Euro verlangt. Und am Rande der Konzerte läuft die Merchandising-Maschinerie.

Die Leute bezahlen die horrenden Preise, ohne mit der Wimper zu zucken. Denn niemand weiß, wer der Bandmitglieder als Nächstes im Pflegeheim, im Knast oder gar auf dem Friedhof landet. Es könnte also die letzte Gelegenheit sein, die Idole aus (musikalisch) besseren Zeiten zu erleben. AC/DC als Bollwerk des Authentischen. Als Entschleunigung in hektischen Zeiten. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie.