Koalition im Sturzflug

Koalition im Sturzflug

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Seit vielen Jahren gilt die Tageblatt-Sonndesfro als DAS Messinstrument für die politische Stimmung im Lande.

Nehmen wir an, es wären Kammerwahlen gewesen, mit folgendem Resultat:

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

DP 9 Sitze (-4), LSAP 10 (-3), „gréng“ 6 (unverändert), CSV 28 (+5), ADR 4 (+1), „Lénk“ 3 (+1). Also: 25 insgesamt für die Koalition, die mit 32 von insgesamt 60 Abgeordneten ausgezogen war, über eine kleine, aber ausreichende Mehrheit verfügt hatte.

Ein nie da gewesenes Desaster!

Was stünde dazu zu lesen, in dieser Zeitung, an dieser Stelle?

Folgendes:

„Ein vielversprechendes Experiment ist gestern vom Souverän gestoppt worden. Blau-Rot-Grün ist auf eine spektakuläre Art und Weise gescheitert, trotz bester wirtschaftlicher Voraussetzungen für den Erfolg und die Weiterführung der sozialliberalen Politik mit grünem Touch. Nie zuvor hatte ein Parteienbündnis sich mit seiner Regierung so unbeliebt gemacht wie die DP, die LSAP und ‚déi gréng‘.

Jetzt, im Nachhinein, muss wohl hinterfragt werden, ob die drei wagemutigen Partner sich der Tatsache bewusst waren, dass Reformen wie die von ihnen geplanten einen politischen Scherbenhaufen hinterlassen würden, wenn man sie gegen die betroffenen Bevölkerungs- bzw. Berufsgruppen durchzöge.

Die meisten Minister, allen voran der junge Premier und sein Vize, hörten nicht auf warnende Stimmen.

In der Überzeugung, dass dieses Land gesellschafts- und sozialpolitisch radikal zu verändern sei, gesellschaftspolitisch im Sinne der gängigen Modernität, sozialpolitisch wegen der ‚Kompetitivität‘ im Geist der Unternehmer-Lobbys, legte die Regierung sich auf breitester Front mit allen möglichen Interessenvertretungen an. Es gibt Dutzende von Fällen, in denen mal 10, mal 100, mal 1.000, mal 10.000 Bürger nicht gehört, missverstanden, vor den Kopf gestoßen wurden, direkt oder indirekt.

Ein paar Beispiele aus jüngster Zeit: Die Polizisten, wegen einer übers Knie gebrochenen Anhebung der Tarife für Ex-Dienstwohnungen, die Lehrerschaft, wegen der ständigen Attacken auf erworbene Rechte, die eigentlich friedfertigen Gewerkschaften wie der OGBL, die im Namen des Salariats eine angemessene Beteiligung am BIP-Wachstum einfordern, die Gesundheits- und Pflegedienste, deren beachtliche Leistung wegen der „Sparpolitik“ unter finanziellen Druck gerät usw., usf.!

Luxemburg, das hätten die Verlierer wissen können, lässt sich nicht von oben herab regieren. Sogar Juncker musste letztlich deswegen ins Brüsseler Exil: Er war zum ‚Chef‘, zum Alleinherrscher geworden, was nicht nur seine Gegenspieler, sondern sogar die eigenen Reihen gegen ihn aufbrachte.

Heute erlebt die Juncker-lose CSV ihren größten Erfolg, ohne dafür den kleinen Finger geregt zu haben. Sie schaffte fast die absolute Mehrheit.

Mit wem wird sie regieren? Mit der ADR, die so gut zu ihr passte? Oder lieber mit den Grünen, die als einziger der drei Koalitionäre nicht verloren, was auch logisch ist: Braz gewann, was Bausch kostete.

Oder gar mit der LSAP, um diese so fest an ihr Herz zu drücken, dass sie endgültig erstickt?

Warten wir’s ab. Und wischen wir die Träne weg, die uns wegen der vertanen Chancen kam.“

Genau das würden wir schreiben, am Wahlabend, nach dem Untergang von Blau-Rot-Grün.