Inhuman und nutzlos

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Die 38-jährige US-Amerikanerin Lisa Coleman hat den neunjährigen Sohn ihrer Freundin im Jahr 2004 schwer misshandelt, eingesperrt und schließlich umgebracht. Am vergangenen Donnerstag starb sie, vom amerikanischen Staat hingerichtet.

Zweifelsohne hat sie eine barbarische Straftat begangen und eine Verurteilung verdient. Doch wem nützt nun ihr Tod, und welche Konsequenzen hat die Vollstreckung der Todesstrafe für die Gesellschaft und den Staat?

Damien Valvasori dvalvasori@tageblatt.lu

Schon allein das Konstrukt eines humanen Staates, welcher sich vor allem durch die Wahrung der Menschenrechte auszeichnet, gerät durch die Todesstrafe ins Wanken.

Denn dieser muss per Definition das Recht auf Leben jeden Bürgers – inklusive Mörder – respektieren.

Ein Staat, der hinrichtet, tut dies nicht, sondern übt damit nur Rache anstatt Gerechtigkeit aus, was die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verletzt. Diese sieht nämlich vor, dass „jeder Mensch das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person (hat)“. Des Weiteren ist die Vollstreckung der Todesstrafe bei Zweifeln an der Schuld des Todeskandidaten eines Rechtsstaates nicht würdig. Unter anderem in den USA ist Letzteres allerdings keine Ausnahme. Eines unter mehreren Beispielen ist die Hinrichtung des schwarzen Amerikaners Troy Davis im Jahr 2011, der einen weißen Polizisten erschossen haben soll. Mehrmals wurde die Exekution aufgrund von zurückgezogenen Zeugenaussagen und neuem entlastendem Material aufgeschoben. Trotz eines großen Medienechos und internationaler Proteste musste Troy Davis sterben. Hat die amerikanische Gesellschaft wirklich davon profitiert, dass er selbst im Zweifel nicht lebenslänglich hinter Gittern blieb, sondern hingerichtet wurde?

Befürworter der Todesstrafe wenden hier gerne ein, dass die Gesellschaft durch die Kapitalstrafe sicherer werde. Mit der Realität hat diese These allerdings nichts zu tun. Die Zahl der Verbrechen ist in den USA nicht bedeutend niedriger als in anderen „westlichen“ Ländern ohne Todesstrafe. Zudem unterscheidet sich die Kriminalitätsstatistik in den US-Bundesstaaten ohne Todesstrafe nicht bedeutend von der mit Kapitalstrafe.

Keine Wähler vergraulen

Auch der qualvolle Tod von Clayton Lockett konnte die Abschaffung der Todesstrafe nicht herbeiführen. Weil die ihm verabreichten Chemikalien nicht wirkten, dauerte sein Todeskampf im April dieses Jahres eine Dreiviertelstunde, bis er schließlich qualvoll an einem Herzinfarkt starb. Zwar wurde durch den Skandal eine Diskussion entfacht, allerdings ging diese in die falsche Richtung.

Die 32 US-Staaten, die die Todesstrafe noch vollstrecken, wollen diese auch nach dem Tod Locketts nicht
abschaffen, sondern „perfektionieren“. Selbst wenn es gelingen sollte, einen Menschen hinzurichten, ohne dass dieser physische Schmerzen erleidet, stellt sich auch hier die Frage: wer soll davon profitieren? Der Schaden, den die Opfer der Mörder erlitten haben, kann nicht wieder gutgemacht werden, und schon gar nicht mit einem weiteren Mord, der abermals eine Familie in Trauer versinken lässt.

Wer nun auf den US-Präsidenten Barack Obama gehofft hat, sieht sich schwer getäuscht. Diesem ist kaum mehr als ein „Jein“ zu entlocken. Prinzipiell sei er schon für die Todesstrafe, allerdings solle diese nur bei „schweren Verbrechen“ wie die Ermordung von Kindern oder Massenmorden angewandt werden. Eine deutliche Aussage ist das nicht, frei nach dem Motto: bloß keine Wähler vergraulen. Dabei gab es bereits nach der ersten Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl in den USA 1890 kritische Stimmen. So schrieb die New York Times damals: „Die Exekution gereichte nicht nur dem Staate New York zum Schaden, sondern sie war eine Schande für die Zivilisation.“ Auch über 120 Jahre später ist dem nichts hinzuzufügen.