Gegen das Gemurmel

Gegen das Gemurmel
(Tageblatt-Archiv/Akim Schmit)

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"Die Zeitung ist für mich eine Art Sparringspartner für meine Auseinandersetzungen mit der Gegenwart. Ich will von einer Zeitung gefordert werden: im Nachdenken, im Bewerten dessen, was passiert."

Der Literaturprofessor Peter von Matt (Zürich) sang bereits vor Jahren ein Hohelied auf das gedruckte Wort.
Es wäre heute wohl ein großer Fehler, die „alten“ Medien gegen die „neuen“ ausspielen zu wollen, denn beide haben ihre Stärken und Schwächen. Doch wer die gutgemachte Analyse sucht, mehr über die Hintergründe einer Affäre erfahren möchte, der wird nach wie vor der gedruckten Zeitung den Vorzug geben, kann er doch – im Gegensatz zum großen Gemurmel im Netz – von seiner Zeitung ein sinnvolles Einordnen zum Zweck der Orientierung erwarten.
Gegen den Datentrash von heute hilft nur professionelle Reflexion. Was denn der Unterschied zwischen klassischen Journalisten, wie man sie in den Zeitungsredaktionen findet, und Bloggern sei, wurde Freitag-Herausgeber Jakob Augstein kürzlich gefragt. Eigentlich gebe es keinen, es komme nur auf den Text an, antwortete Augstein. Aber in Wirklichkeit gebe es sehr wohl einen grundlegenden Unterschied: Der Journalist in seiner idealtypischen Form sei interessenfrei, der Blogger hingegen nicht.
Nichts gegen Blogger oder „Bürgerjournalisten“, sie können den öffentlichen Diskurs bereichern. Aber sie sind allenfalls journalismusähnlich, nicht journalismusgleich. „Und sie bespielen – im Gegensatz zur Zeitung – eine Bühne des Subjektivismus, der eitlen Selbstmitteilung und der Vervielfältigung ungeprüfter Behauptungen.“ Es fließen unkanalisiert die Infobits, Eindrücke und Gerüchte.

Roger Infalt rinfalt@tageblatt.lu (Bild: Tageblatt/Isabella Finzi)

Ein Teufelskreis

Werner D’Inka, Mitherausgeberin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, hat das vor einem Jahr während eines Symposiums so ausgedrückt: „Wenn niemand mehr mit Sinn und Verstand die Themen nach ihrer Relevanz sortiert, dann kommt mir das so vor, als würden wir uns, statt zum Frisör zu gehen, gegenseitig die Haare schneiden. Das kann ganz sympathisch und unterhaltsam sein. Aber würden wir uns auch von einem Bürgerchirurgen den Blinddarm entfernen lassen?“
Der im Jahre 2005 verstorbene große Film- und Fernsehproduzent Gyula Trebitsch hob kurz vor seinem Tod hervor, dass unsere Fantasie überall schon kanalisiert sei, nur beim Lesen, etwa der Zeitung, entwickele man seine eigenen Bilder und Gedanken und damit unter anderem selbstständiges Tun.
Die Altmeisterin der Meinungsforschung Elisabeth Noelle (Allensbach) sagte einst, dass die Fähigkeit zum Lesen eine Grundvoraussetzung für das Verstehen und Behandeln der wesentlichen Dinge des Lebens sei. Und besonders gut trainiert werde Lesen durch Zeitungslesen, denn Zeitungslesen motiviere zur Regelmäßigkeit. „Eine Welt ohne Zeitungen, ohne die Möglichkeit des Lesetrainings, würde die Lesefähigkeit breiter Kreise verkümmern lassen. Wenn das Lesen verarmt, verarmt auch das Schreiben. Wenn beides verarmt, verarmt auch die Sprache. Und wenn die Sprache verarmt, verarmen die Denk- und Dialogfähigkeit. Ein Teufelskreis!“
Nun glauben heutzutage viele, dass man durch Surfen, Bloggen und Twittern im Netz alle Informationen dieser Welt kennt, aber niemand hat dabei die Möglichkeit, zu evaluieren, was denn falsch und was richtig ist. Zufallskommunikation steht bei vielen an der Tagesordnung. Und was noch schlimmer ist: wir lehren unsere Sprösslinge diese Zufallskommunikation von klein an in der Schule und die Verlässlichkeitskommunikation bleibt gänzlich auf der Strecke. Computer gibt es in jeder Schulklasse, Zeitungen dagegen nicht.
Armes Land!