Es ist Showtime

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(Tageblatt)

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Noch drei Tage bis zum Super Sunday, und die Vereinigten Staaten stehen wie jedes Jahr um diese Zeit kopf. Mit dem Super Bowl, dem Finale der Football-Profiliga NFL, kündigt sich das größte Einzelsportereignis der Welt an.

Geboten wird knallharte Action, was denn auch der Grund ist, weshalb American Football in der Gunst der US-Fans das uramerikanische Baseball um Längen distanziert hat. In der schnelllebigen Gesellschaft von heute ist Baseball den Leuten zu langsam geworden.

Dagegen spiegelt American Football wie keine zweite Sportart die „amerikanische Kultur“ wider. Die Show ist mindestens genauso wichtig wie der Sport. Der in aller Herren Länder live ausgestrahlte Super Bowl ist zudem voll von US-amerikanischem Pathos: Nationalhymne, Kriegsveteranen, Marching Band, Kampfjets, you name it! Die „Halftime-Show“, sponsored by Pepsi, ist in der öffentlichen Wahrnehmung ebenso sehenswert wie der Kampf um Touchdown und Field Goal.

Mit großer Spannung erwarten die amerikanischen TV-Zuschauer auch die Werbeunterbrechungen. Die aufwendig produzierten Spots werden beim Super Bowl uraufgeführt. Kostete die Ausstrahlung eines halbminütigen Werbeclips während des Super Bowl 2004 noch 2 Millionen Euro, so sind es diesmal 3,8. Da ist es schon praktisch, dass ein American-Football-Spiel so ziemlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit unterbrochen wird. So gibt es Werbeeinblendungen nach Punkten, beim Wechsel des Ballbesitzes, bei Time-outs, beim Einsatz des TV-Beweises oder bei der sogenannten „2-Minute-Warning“.

Demnach Sport als riesige Werbe- und Kommerzveranstaltung. Und alle – vom Supermarkt bis zu den Restaurants – möchten auf den Zug aufspringen. Kein Wunder, werden doch während des Super Bowl 1,23 Milliarden Chicken Wings vertilgt und rund 27 Milliarden Kalorien in Form von Kartoffelchips eingenommen, wie die Frankfurter Allgemeine unlängst hochrechnete. USA, das Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten …

In Europa würde man sagen, der Sport habe sich dem Kommerz verkauft. Aber genau dasselbe passiert auch bei uns. So hat der Fußball in den letzten 20 Jahren eine nicht für möglich gehaltene Wandlung erfahren. Und das mit einem einzigen Ziel: immer mehr Geld zu generieren. Die TV-Sender bestimmen inzwischen, an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit gespielt wird. Der Sponsor bestimmt, in welchen Farben die Mannschaften auflaufen. Firmen wie Red Bull nutzen den Fußball (und andere Sportarten) als Marketing-Instrument. Dabei bleibt alles auf der Strecke, was die schöne Show stört. Und das sind meistens die Fans, die sich eben nicht nur als zahlendes Event-Publikum verstehen.

So ist also aus der schönsten Nebensache der Welt die lukrativste Nebensache der Welt geworden. In den USA regt sich über so was längst niemand mehr auf, dort sind Sport und Kommerz schon lange untrennbar miteinander verschmolzen. IOC-Chef Bach wird am Sonntag beim Super Bowl in Arizona auf der Ehrentribüne sitzen. Man darf durchaus gespannt sein, mit welchen Erkenntnissen der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees nach Europa zurückkehrt.