Ende des Tout-TGV

Ende des Tout-TGV
(Alain Rischard/editpress)

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Am Dienstag stellte eine japanische Magnetschwebebahn einen neuen Weltrekord auf für jene Transportsysteme, die man im weiteren Sinne als Züge bezeichnen darf: Der Maglev ist mit maximal 603 km/h demnach nun um rund 5 Prozent schneller als der in klassischer Rad-Schiene-Technik funktionierende TGV (575 km/h). Die kommerzielle Geschwindigkeit der Magnetbahn soll aber um die Hälfte über jener des TGV liegen (500 vs. 320 km/h), und das erscheint dann doch schon als „Game Changer“.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Doch die neue Technik hat auch ihre Nachteile: Insbesondere lässt sie sich nur schwer in ein bestehendes Eisenbahnnetz integrieren und dürfte daher in der Regel nur als „Inselbetrieb“ über längere Distanzen zum Einsatz kommen. Vor allem aber hat wohl noch niemand ernsthaft probiert, 2.000 Tonnen schwere Güterzüge mit diesem Antriebsprinzip zu befördern.

Auch der Konstruktionsaufwand und der Platzbedarf sind beim Maglev nicht eben ohne: Man kann sich nur schwer vorstellen, wie man dereinst eine solche Strecke durch den „Sillon Lorrain“ verlegen wollte, etwa um den TGV durch eine noch schnellere Anbindung an Paris zu ersetzen.

Ohnehin lautet die entscheidende Frage heutzutage nicht mehr „Maglev oder TGV?“. Heute geht es vielmehr darum, wie viel von den zur Verfügung stehenden Budgetmitteln in Zukunft überhaupt noch in die Hochgeschwindigkeit investiert werden sollen.

Die SNCF hat von 1980 bis 2010 die „Lignes à Grande Vitesse“ (LGV) einseitig auf Kosten des konventionellen Netzes bevorzugt, bereut diese Politik des „Tout-TGV“ aber nun: Viele Strecken „in der Fläche“ sind mangels ausreichenden Unterhalts heute ziemlich abgenutzt, was neben Verspätungen aufgrund zahlreicher Langsamfahrstellen auch Sicherheitsprobleme mit sich bringt. Doch der Unfall von Brétigny-sur-Orge, wo am 12. Juli 2013 sieben Menschen sterben mussten und 70 verletzt wurden, weil sich eine lose Lasche in einem Weichenherz verklemmt hatte und so einen Intercité-Zug entgleisen ließ, scheint für ein Erwachen gesorgt zu haben.

Natürlich war die Entscheidung, Frankreichs große Städte durch den TGV untereinander zu verbinden, richtig, sie hat das Land unzweideutig positiv verändert. Ohne den TGV würde die SNCF laut ihrem PDG Guillaume Pepy heute kaum noch Fernverkehr anbieten. Doch ab dem Moment, wo immer mehr Provinzpolitiker eine TGV-Anbindung auch für ihr Kaff forderten, begann global betrachtet die Qualität des Bahnangebotes im Hexagon zu leiden. In Spanien, das übrigens über Europas größtes LGV-Netz verfügt, hat man ähnliche Erfahrungen gemacht.

In der Schweiz und in Österreich kommt man aufgrund der gebirgigen Topografie ohnehin ganz ohne LGVs (über 250 km/h) aus und ist dennoch in der Lage, einen äußerst hochwertigen und immer noch recht schnellen Verkehr (230 km/h) anzubieten, der zudem eine engmaschigere Versorgung des Territoriums zulässt.

Es muss also nicht immer TGV sein.