Ein blaues Wunder

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(dpa/Archiv)

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Mit der Transparenz ist das so eine Sache. Jeder fordert sie vom anderen, in der Politik vom politischen Gegner.

Selber ist man ja immer sehr transparent und sagt alles das, was man getan hat und vorhat, ohne auch nur danach gefragt zu werden. So ungefähr hörte sich das im Vorfeld der Wahlen vom Oktober 2013 seitens der damaligen Oppositionsparteien an. Im Speziellen ging es dabei um das Recht des Bürgers auf Zugriff auf administrative Dokumente und Informationen der staatlichen Verwaltungen. Diesem Recht soll das Prinzip zugrunde liegen, dass der Staat aus eigener Initiative dem Bürger Zugang zu Informationen verschafft, z.B. indem konsequent alle Entscheidungen, welche die Bürger betreffen – und das sind ja im Prinzip alle, da der Staat ja dem Bürger dienen soll – im Internet veröffentlicht werden.

Claude Molinaro cmolinaro@tageblatt.lu

Nun, Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, und die Regierung hat, sollte denn alles gut gehen, noch vier Jahre Zeit, das Ding in die Tat umzusetzen. Von daher machen wir uns wegen dieses Vorhabens im Moment noch keine Sorgen. Sorgen sollte man sich vielmehr wegen der Art und Weise machen, wie die Dreierkoalition Öffentlichkeitsarbeit handhabt. Da scheint man es nicht so genau zu nehmen, was die Transparenz angeht. Die Regierung traf sich vor zwei Wochen für zwei Tage Klausur im Senninger Schloss, wo neben dem Deontologie-Kodex für Minister auch über den nächsten Staatshaushalt diskutiert wurde. Einzelne Ideen scheinen schon so weit ausgearbeitet zu sein, dass bereits Details auf dem Tisch liegen.

Während sich Premierminister Xavier Bettel beharrlich weigerte, bei der anschließenden Pressekonferenz auch nur kleinste Details preiszugeben, war der Vize-Premier-Wirtschafts-Verteidigungsminister Etienne Schneider in der fast zeitgleichen Radiosendung „Background“ zu hören. So sagte er z.B., dass es nicht zu einer Streichung des 13. Monats bei Rentnern kommen werde, und überhaupt, dass es zu keinen Steuererhebungen kommen werde. Aber Abgaben sind ja keine Steuern, wie uns die Regierung belehrt hat.

Demjenigen, der die Steuer zahlt, dürfte der feine Unterschied egal sein. Die Diskussion, wie es um die Transparenz von „Gambia“ bestellt ist, hat nach dem am Donnerstag erschienenen Interview mit Familienministerin Corinne Cahen (DP) im Le Jeudi wohl neuen Zündstoff erhalten. Bezüglich der geplanten „Kindergeldsteuer“ bemerkte der Journalist, es sei „eine Maßnahme, die nicht im Koalitionsprogramm vorgesehen war“.

Das zweite Programm

Die Antwort von Cahen ist erstaunlich: „Il y a peut-être un programme bis.“ Da besteht aber jetzt Erklärungsbedarf vonseiten der ach so transparenten Regierung. Heißt das, es gibt ein zweites Koalitionsprogramm? Das wäre ja dann quasi ein Geheimabkommen. Die Ministerin habe sich schon beim Journalisten beschwert und darauf hingewiesen, dass sie das Wort „Programm“ nicht benutzt habe, sondern das Wort „Text“. Noch besser: Das würde bedeuten, es gibt etwas Geschriebenes und nicht Veröffentlichtes über die Pläne der Regierung.

Vorige Woche kritisierte die kleinste Oppositionspartei, „déi Lénk“, die Taktik der Regierung bestünde darin, Gesetzesvorhaben sehr kurzfristig ohne lange Vorgespräche auf den Tisch zu legen, um sie dann in der Chamber durchzupeitschen, ohne die nötigen Gutachten abzuwarten. Vielleicht wird diese Taktik im Geheimprogramm dargelegt. Aber dank der angekündigten Transparenz werden wir ja bald alles darüber wissen.

(Claude Molinaro/Tageblatt.lu)