Durchfallen schafft Vertrauen

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Nach einem Jahr Ungewissheit darf der Finanzplatz Luxemburg endlich aufatmen. Und das gleich mehrmals. So haben alle sechs Luxemburger Bankgruppen, die von der EZB auf ihre Krisenfestigkeit getestet wurden, den Test mit Bravour bestanden.

Das ist ein sehr erfreuliches Resultat, denn immerhin ist jede fünfte der 130 untersuchten europäischen Banken beim Test durchgefallen.

Christian Muller cmuller@tageblatt.lu

Doch dass viele Finanzinstitute den Test nicht bestanden haben, darf ebenfalls als Erfolg gewertet werden. Es bedeutet nämlich, dass der ganze Stresstest-Prozess deutlicher seriöser und rigoroser durchgeführt wurde, als das bisher bei ähnlichen Tests in Europa der Fall war. Dies war auch absolut notwendig, um das Vertrauen in diesen wichtigen Sektor wiederherzustellen. Immerhin trauten sich in den letzten Jahren selbst die Finanzinstitute untereinander nicht mehr über den Weg.

Für Europas Finanzsektor bedeutet der gestrige Tag so etwas wie das Ende der Finanzkrise. Einige Banken wie Fortis oder Kaupthing gibt es nicht mehr. Die Übrigen hoffen, die Post-Finanzkrise-Regulierungswelle der letzten Jahre nun überstanden zu haben und sich wieder auf ihr Geschäft konzentrieren zu dürfen.

Doch der Stresstest ist nicht nur das Ende der Finanzkrise – er ist gleichzeitig der Beginn einer neuen Ära. Ab dem 4. November werden die Banken nämlich nicht mehr von nationalen Aufsichtsbehörden – sondern von der EZB – kontrolliert werden. Ab November wird sie selber die Verantwortung tragen, wenn etwas in dem Sektor schiefläuft. Dieser Test war ihre Gelegenheit, um mögliche Altlasten im Vorfeld auszusortieren.

Leicht überraschend ist dann doch, dass die Summe an Kapital, die den durchgefallenen Banken fehlt, sich auf gerade mal 25 Milliarden Euro beläuft – eine relativ geringe Summe verglichen mit den 22.000 Milliarden Euro an Bankaktiva, die von der EZB überprüft wurden. Viele Banken hatten ihr Kapital vorsorgehalber im Vorfeld erhöht. Ohne das Damoklesschwert des Stresstests wäre das nicht geschehen.

Und dennoch: Auch wenn Europas Finanzsektor morgen so robust dastehen wird wie seit langem nicht mehr, Finanzkrisen und Bankzusammenbrüche wird es auch in Zukunft sicherlich wieder geben. Die EZB hat verschiedene Stress-Szenarios getestet – aber nicht alle, die man sich vorstellen kann, und auch nicht immer mit den strengstmöglichen Kriterien. Das war aber auch nicht das Ziel dieses Tests. Beim Stresstest ging es darum, das Vertrauen in den Sektor offiziell wiederherzustellen.

Dass Banken Risiken eingehen sollen, ist gewünscht. Sonst könnten sie keiner innovativen Firma einen Kredit gewähren. Und gerade das sollen sie nun wieder vermehrt tun: Die Wirtschaft finanzieren. Ist die europäische Bankenunion erst fertig aufgebaut, dann soll sie in der Lage sein, alle künftigen Problemfälle handhaben zu können.