Die Wiedervereinigung

Die Wiedervereinigung
(Alain Rischard/editpress)

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Die Bundesrepublik feiert 25 Jahre Deutsche Einheit: Anlass genug für das Tageblatt, nicht den gewöhnlichen Weg der Berichterstattung zu wählen.

Experten, Analysten, Meinungsforscher, Zeitzeugen oder Politiker sind die üblichen Verdächtigen, die man im Rahmen solcher Festlichkeiten in Medien antrifft. Ihre Argumentationsmuster und historischen Rückblicke sind zwar relevant. Allerdings wird in dieser Form von Geschichtsbewältigung ein zentraler Aspekt ignoriert: die Zukunftsorientiertheit. Genau jener Aspekt, der die deutsche Wiedervereinigung in ein Hoffnungsprojekt verwandelte.

Der Blick nach vorne über die Mauern und Zäune hinweg, der Wunsch nach einer freiheitlichen, vielfältigen und gemeinschaftlichen Gesellschaft. Ein Zukunftsprojekt, das Jugendliche über Generationen hinaus noch inspirieren wird.
Genau aus diesem Grund hat unsere Zeitung im Zusammenspiel mit der deutschen Botschaft in Luxemburg Schüler aus Gymnasien zu Wort kommen lassen. Unter dem Titel „25 Jahre Deutsche Einheit – Beginn der europäischen Wiedervereinigung“ sollten sich junge, kreative Köpfe aus allen Lyzeen des Großherzogtums Gedanken darüber machen, welche Folgen die Deutsche Einheit aus ihrer Sicht hatte.

Dabei standen politische, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte, aber auch Kleinigkeiten im Vordergrund. Genau diese Mischung und die eigenen Narrative sowie Überlegungen der Schüler haben die Aufsätze in eine zukunftsorientierte Bilanz der Deutschen Einheit verwandelt. Auf Seite 4, 70 und 71 können Sie die sehr persönlichen und anregenden Appelle lesen. Sie unterscheiden sich im Stil, im Inhalt, auch in der Sprache, allerdings haben sie etwas gemein: die Faktoren Hoffnung und Solidarität. Elemente, die wir im heutigen Europa angesichts des Rüttelns an den Schengen-Regeln, des erneuten Hochziehens von Stacheldraht sowie Mauern und des blinden Hasses gegenüber Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben sind, bitter vermissen. Deutschland spielt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle.

Genau jenes Land, das während der Griechenland-Krise durch seine Härte und Unbeugsamkeit aufgefallen ist, gilt vielen Staaten Europas nun wegen seiner Flüchtlingspolitik als Vorreiter und Vorbild. Genau wie vor 25 Jahren ist die Bundesrepublik heute jedoch aus einer rein politischen Perspektive selbst in dieser Frage gespalten. Der Konflikt zwischen dem von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) geführten Auswärtigen Amt und Innenminister Thomas de Maizières (CDU) Politik ist kaum zu übersehen. Die progressive Haltung gegenüber syrischen Flüchtlingen wird selbst von der ansonsten eisernen Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt – was nicht zuletzt zu vielen Buhrufen innerhalb ihrer erzkonservativen Union geführt hat. Zwar beherrscht Merkel wie fast kein anderer Politiker in Europa das Spiel mit den Minister-„Bauernopfern“. Allerdings genießt De Maizière bislang (noch) zu viel Rückhalt in der Koalition.

Umso wünschenswerter wäre es, dass Deutschland sich ähnlich wie vor 25 Jahren auf sein solidarisches, nicht aber auf sein hartes, Europa das Fürchten lehrendes Gesicht verlässt. Genau hierin liegt die Stärke der Einheit. Nicht im Gegenteil.

(dsabharwal@tageblatt.lu)