Der Mut fehlt

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An dieser Stelle haben wir bereits wiederholt geschrieben, dass eine ganze Reihe an europäischen Konzernen regelrecht auf riesigen angehäuften Vermögen sitzen.

Diese Geldberge mögen zum Teil deshalb aufgebaut worden sein, weil man in den Chefetagen nach 2008 – zu Recht – davon ausging, dass die üblichen Finanzierungswege über Kreditinstitute zukünftig schwierig zu gehen sein würden. Mittlerweile haben allerdings die wenigsten diese Vermögen angerührt, um tatsächlich Investitionen zu tätigen.

Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu

Nun haben am Wochenende die Finanzminister der G20-Staaten im australischen Cairns getagt und vor allem Vorschläge zur Verbesserung der Angebotsseite gemacht. Niedrigere Steuern und Abgaben für die Unternehmen, im Verbund mit geringeren Staatsausgaben – dies alles würde wieder zu mehr privaten Investitionen führen. So in etwa scheint man sich eine Lösung der Probleme vorzustellen.

Lediglich US-Finanzminister Jack Lew schien aus der Rolle zu fallen, als er mit dem Finger auf Europa zeigte und kurzfristige Maßnahmen zur Förderung der Nachfrage forderte.

Und das hat seinen Grund: Zwar scheinen viele Unternehmen auf unserem Kontinent bereit zu sein, mehr zu investieren, tun es aber nicht, weil eben die Nachfrage-Seite nicht anzieht. Diese kann jedoch nur anziehen, wenn die Löhne steigen. Gewiss, die europäische Peripherie scheint dazu noch nicht bereit zu sein. Anders stellt sich jedoch die Situation in anderen Gegenden Europas dar – besonders in den Ländern, die einen Exportüberschuss vorweisen können.

Man braucht nur auf den so hochgelobten deutschen Motor zu blicken, um die Malaise zu sehen: Zum einen schwächelt Deutschlands Exportwirtschaft, zum anderen zieht gerade dort die Binnennachfrage nicht an. Es scheint, als ob Europas Zugpferd es nicht fertigbringe, seine Volkswirtschaft umzustellen. Sollte sich diese Situation verfestigen, dann geriete auch unser Nachbarland in einen wirtschaftlichen Teufelskreis.

Mittlerweile beklagt sich sogar der deutsche Industrieverband über die Investitionsschwäche im eigenen Land. In der konservativen FAZ stand gestern (24.09.2014) zu lesen, dass der Präsident des Industrieverbandes gegenüber Angela Merkel gemeint habe, es könne wohl kaum Ziel der deutschen Politik sein, dass „am Ende immer mehr Rentner über immer tiefere Schlaglöcher stolpern“.

Einige Hoffnungen ruhen auf der zukünftigen Brüsseler Kommission und natürlich auf deren Chef Jean-Claude Juncker. Dieser hatte in seiner Antrittsrede vor dem EU-Parlament gemeint, er würde in den kommenden drei Jahren „300 Milliarden an öffentlichen und vor allem an privaten Investitionen mobilisieren“.

Sonntagsreden reichen nicht

Wird erneut das Kapital der Europäischen Investitionsbank aufgestockt? Bedient man sich am Euro-Rettungsschirm, der fast noch über seine gesamte Ausleihekapazität von 500 Milliarden Euro verfügt? Oder wird Juncker EU-Strukturfonds zurückfordern, die er dann neu verteilen kann? So könnten mögliche Wege aussehen, jedoch hat Juncker keinen von diesen aufgezeigt. Junckers Kommission könnte dies jedoch nicht im Alleingang bestimmen, denn all diese Pisten würden voraussetzen, dass die nationalen Regierungen ihr Einverständnis geben.

Gerade da dürfte es jedoch aus den unterschiedlichsten Gründen beim politischen Personal hapern. Mittlerweile befürchten viele Kommentatoren, dass sich jede Aussage eines nationalen Politikers in diese Richtung auf Sonntagsreden beschränken wird.

Es wurde in der vergangenen Dekade zu Recht viel über die kurzfristige Denkweise in der Finanzbranche geklagt. Seit einiger Zeit scheint es jedoch, als habe sich zu dieser Mentalität auch noch eine kurzfristige Denkweise in der Politik hinzugesellt. Diese hat zwar nicht ihren Blick auf die Gewinnmaximierung gerichtet, sondern auf die nächsten Wahlen. Damit dürften so schnell jedoch kaum Impulse, ja Verbesserungen zu erwarten sein. Es fehlt an Mut in Europa. Zuallererst an politischem Mut.

(Sascha Bremer)