Achtung vor dem Filmriss

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"Will das Tageblatt die Regierung kippen?", heißt eine dieser Tage oft gestellte Frage.

Überhaupt nicht. Die Zeitung ließ die Meinungsforscher ermitteln, wie die Bevölkerung die wichtigen Akzente der DP/LSAP/“gréng“-Politik beurteilt. Damit handelt sie im Rahmen des Auftrags, den die freie Presse übernimmt. Dass die Ergebnisse noch schlechter ausfallen, als die Parteistrategen erwarteten, ist zur Kenntnis zu nehmen und nicht dem Boten, in diesem Fall uns, anzulasten.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Ein Minister, oder waren es gleich ein paar, meinte mit flinker Zunge, die fürchterlichen Zahlen seien nur eine Fotografie, eine Momentaufnahme; die Koalition aber drehe einen Film, und den sollte man später in seiner Gänze betrachten.

Da möchte man genauso flink auf die gar nicht seltenen Filmrisse verweisen, die auch in der IT-Zeit passieren, in Form eines digitalen Absturzes.

Zumal wer, wie die erst ein Jahr amtierende Regierung, bei einer derart winzigen parlamentarischen Mehrheit eine derart große Opposition im Volke spürt, nicht stur auf seine Prärogativen pochen kann. Die öffentliche Meinung ist im 21. Jahrhundert auch in Luxemburg keine Nebensache mehr.

Mag sein, dass diese Regierung genau wie die vorige der Ansicht ist, es müsse drastisch „gespart“ werden, um eine höhere Verschuldung zu verhindern. Politiker leben irgendwie abgesondert; sie verkehren unter sich und in den gehobenen Kreisen der Finanzwelt und der Wirtschaft, die ihre Experten und Lobbyisten zielstrebig auf sie ansetzen. Was der gemeine Sterbliche an Alltagssorgen hat, schert sie kaum; sie sind wie verzaubert von makroökonomischen Prognosen, obwohl diese sich in der Vergangenheit als „fumisterie“ erwiesen, als Gaukelei mit Hypothesen.

Es ist nicht korrekt, auf das angeblich leichtere Leben in Luxemburg zu verweisen, mit Hinweis auf die Nachbarn, denen es echt schlecht gehe. Kein anderes Land im Westen Europas hat sich seit 1975 so grundlegend verändern müssen wie Luxemburg, vom Industriestaat zur Dienstleistungsgesellschaft, vom fast homogenen Luxemburger Volk zur Quasi-Minorität innerhalb der engen Grenzen, tagsüber, wenn die 160.000 Grenzgänger zur Arbeit da sind.

Wer unter den gegebenen Voraussetzungen die Weichen richtig stellen will, sollte es nicht im Alleingang versuchen, wie eben der Dreierbund, der die CSV in die überfällige Oppositionskur schickte. Er sollte sich auf die großen Verbände, auch des Salariats, zubewegen, nicht nur, um sie zu informieren, sondern um solche Lösungen auszuhandeln, die akzeptable Kompromisse sind.

Und er sollte mit der Austerität warten. Luxemburg steht nicht unter Zugzwang. Wir brauchen für die Relance mehr Kaufkraft, nicht weniger, und eine gute Stimmung, keine miese.