Zu wenig Spielraum

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Bei der Vorstellung des Jahresberichts 2013/2014 des Staatsrates regte Präsident Victor Gillen einmal mehr dazu an, Absatz 3 des Artikels 32 der Verfassung umzuändern. Er erschwert die gesetzgeberische Arbeit.

Aufgabe des Luxemburger „Conseil d’Etat“ ist es im Wesentlichen, Gesetzesvorschläge oder Vorlagen von großherzoglichen Reglementen (Ausführungsbestimmungen) auf ihre Verfassungsmäßigkeit und ihren Einklang mit der bestehenden Gesetzgebung zu prüfen. Das gilt auch für jede Abänderung solcher Vorschläge. Im ersten Fall wird ein normales Gutachten, im zweiten ein zusätzliches Gutachten erstellt.

Der Staatsrat

Der Staatsrat zählt 21 Mitglieder, von denen mindestens elf Juristen sein müssen. In dieser Zahl sind die Mitglieder der großherzoglichen Familie nicht einbegriffen, die Mitglied sein können. Zurzeit ist Erbgroßherzog Guillaume im Staatsrat. Um Mitglied werden zu können, muss man Luxemburger sein, über seine zivilen und politischen Rechte verfügen, im Lande wohnhaft sein und das 30. Lebensjahr abgeschlossen haben.

Wird ein Text beim Staatsrat eingereicht, geht er zuerst in eine der Kommissionen. Hier wird ein Berichterstatter genannt, der dann einen Gutachten-Vorschlag erstellt („projet d’avis“). Der wird in der Kommission diskutiert und an die Vollversammlung weitergegeben. Geprüft wird, ob das Gesetz verfassungskonform ist, internationalen Verträgen oder Konventionen oder anderen übergeordneten Normen entspricht.

196 „Oppositions formelles“

Gelangt der Staatsrat zum Schluss, dass ein Gesetzestext nicht mit der aktuellen Rechtslage konform ist, belegt er diesen mit einer formellen Opposition. Zumeist schlägt er gleichzeitig einen abgeänderten Text vor. An den Abgeordneten im Parlament ist es dann, diesen anzunehmen oder selber einen anderen Entwurf auszuarbeiten. 2013/2014 wurden alle Vorschläge des Staatsrates in diesem Zusammenhang vom Parlament übernommen.

196 solcher „oppositions formelles“ wurden ausgesprochen. 38 davon unter Berufung auf Artikel 32 Absatz 3 der Verfassung.

Es geht um großherzogliche Reglemente. Weil es schneller geht, wird bei manchen Gesetzen festgehalten, dass die detaillierten Ausführungsbestimmungen per großherzogliches Reglement festgehalten werden. Im Gesetz wird dann nur das Prinzip festgelegt. Nun gibt es aber eine ganze Reihe politischer Bereiche (Ausländerwahlrecht, soziale Sicherheit, öffentliche Macht usw.), in denen laut Verfassung der Gesetzgeber über alles selber entscheiden muss („loi formelle“).

Hier schreibt die Verfassung ausdrücklich vor, dass neben den großen Prinzipien auch die Ausführungsdetails bereits im Gesetz drinstehen müssen. Zwar nicht bis zum letzten Punkt, aber immerhin so, dass schon aus dem Gesetz hervorgeht, was die wichtigsten Elemente des Gesamtrahmens sind.

Wenig Spielraum

Will man in einem solchen Falle dennoch auf ein großherzogliches Reglement zurückgreifen, so muss im Gesetz auch stehen, warum, unter welchen Bedingungen und wie weniger wichtige Punkte über den Weg eines Reglements festgelegt werden dürfen. In der Praxis zeigt sich, dass bei solchen Gesetzen durch diese Vorgaben nur sehr wenig Spielraum für großherzogliche Reglemente bleibt, da die Grenze zwischen dem, was über das Gesetz laufen muss, und dem, was über das Reglement laufen kann, schwer zu ziehen ist. Zuletzt hat das Verfassungsgericht dies mit einem Urteil in Sachen sektorielle Leitpläne noch einmal aufgezeigt.

Der Staatsrat glaubt, dass obige Grenze zu eng ausgelegt ist und schlägt daher vor, Artikel 32 Absatz 3 zu ändern. Dies würde die Arbeit des Gesetzgebers wesentlich erleichtern.

(Serge Kennerknecht/Tageblatt.lu)