„Verhaltenskodex für die Regierung“

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Haben Regierungsmitglieder den Promotor Guy Rollinger erpresst? Neue Elemente haben die Sprecher von DP und déi gréng am Mittwoch im Parlament nicht vorgebracht. Die Regierung hat jeglichen Vorwurf zurückgewiesen.

Die Regierung gibt sich ein Verhaltenskodex. Damit sollen unter anderem auch die Beziehungen zwischen Minister und Privatwirtschaft klarer geregelt werden. Die Vorarbeiten zu derlei Regelwerk stünden vor der Fertigstellung. Das hat Premierminister Jean-Claude Juncker am Mittwoch im Parlament gesagt. Damit reagiert die Regierung auch auf Vorwürfe im Zusammenhang mit der Affäre um die Vorhaben Wickringen und Liwingen. Vor der Fertigstellung stünde auch der Gesetzentwurf über den Zugang der Öffentlichkeit zur Information.

Der Gegenangriff

Marc Spautz (CSV) wirft Claude Meisch (DP) und François Bausch („déi gréng“) vor, nicht sofort die Staatsanwaltschaft eingeschaltet zu haben, nachdem ihnen doch angebliche Beweise für Erpressung und Erpressungsversuch vorlägen. Das sei Justizbehinderung. Fraglich sei, warum Guy Rollinger selbst den Weg zum Staatsanwalt scheue.

Fayot lehnt Untersuchungsausschuss ab

Noch nie zuvor in seiner Parlamentarierlaufbahn habe er derart schwerwiegende Vorwürfe gehört, so Ben Fayot (LSAP). Sie müssen ernst genommen werden, stammen sie doch von zwei Politikern der ersten Reihe. Es gehe dabei auch um die Glaubwürdigkeit der Luxemburger Politik insgesamt. Dem vormaligen Wirtschaftsminister Krecké, der sich stets für Firmen eingesetzt hat, vorzuwerfen, ein Unternehmen kaputtschlagen zu wollen, sei unerhört. Warum hat Rollinger keinen Schadenersatz gefordert habe, falls er der Ansicht war, durch die Aufgabe seines ursprünglichen Projekts Schaden zu erleiden?
Fayot spricht sich gegen das Einsetzen eines Untersuchungsausschusses.

Keine Vorverurteilungen

Die ADR wolle als Partei niemanden beschuldigen, so Gast Gibéryen (ADR). Seine Partei habe stets das Projekt Wickringen unterstützt, erinnerte er. Gibéryen dreht das Spieß um. Warum haben Juncker, Halsdorf und Krecké nicht wegen Verleumdung Klage eingereicht? Die ADR spricht sich für das Einsetzen einer Untersuchungskommission. Sie soll sich nur mit den politischen Aspekten der Angelegenheit befassen. Man sollte niemanden vorverurteilen, betont der Abgeordnete.

Urbany fordert Inventar

Serge Urbany („déi Lénk“) fordert ein Inventar aller Abkommen und Verhandlungsgrundlagen zu den Projekten Wickringen und Liwingen. Und dazu bedürfe es eines Untersuchungsausschusses. Nur so könne sich das Parlament die Mittel geben, um die Unterlagen einzufordern und Zeugen zu hören.

Sowohl Inneminister Halsdorf als auch Ex-Minster Krecké haben Guy Rollinger nicht erpresst. Das hätten beide ihm gegenüber versichert, so Juncker vor den Deputierten auf Krautmarkt. Das Schreiben von gleich drei Ministern an Rollinger und Becca bezüglich des Projekts Liwingen sei kein rechtlich verbindliches Dokument, so Juncker. Derlei Schreiben mit Promotoren sei Regierungsroutine. In besagtem Schreiben hatten sich die Regierungsmitglieder für das Stadionprojekt in Liwingen ausgesprochen.

Keine konkreten Beweise

Auf Antrag von DP und „déi gréng“ äußerte sich die Regierung erstmals zu den Vorwürfen beider Parteien. Diese werfen einzelnen Ministern vor, den Promotor Guy Rollinger massiv unter Druck gesetzt zu haben, damit er auf sein Vorhaben eines Großeinkaufszentrums in Wickringen verzichte, um stattdessen in das Projekt eines Fussballstadions einzusteigen. Untermauert werden diese Vorwürfe bisher lediglich von den Aussagen des Betroffenen selbst, Guy Rollinger. Anders als erwartet, konnten auch am Mittwochnachmittag weder DP-Chef Claude Meisch noch Fraktionschef François Bausch („déi gréng“) konkrete Beweise für ihre Vorwürfe vorlegen.

Als erster Redner wiederholte „déi gréng“-Fraktionschef François Bausch die Vorwürfe insbesondere gegenüber Innenminister Jean-Marie Halsdorf und Ex-Wirtschaftsminister Jeannot Krecké. Wickringen musste verhindert werden, weil er in Konkurrenz zum Projekt Liwingen stand. Das in einer Zone, in der in der Vergangenheit bereits zwei Projekte abgelehnt worden waren, weil es sich um eine Naturschutzzone handele, so Bausch. Die Regierung sei einem Promotor auf den Leim gegangen, der aus seinem Kartoffelacker eine Goldgrube machen wollte. Was in Liwingen geplant sei, stehe in keinem Verhältnis zum berechtigten Wunsch des Landes nach einem Fussballstadion.

Das unannehmbare Verhalten des Innenministers

Als „unannehmbar“ bezeichnete Bausch das Vorgehen von Innenminister Halsdorf bei der Staatssparkasse BCEE. Dort soll sich Halsdorf für bessere Darlehensbedingungen für die Gruppe Rollinger eingesetzt haben. Ein Verhalten, das zuvor noch verneint worden war. Bedauerlich sei es insbesondere, dass den Deputierten diese Informationen bei einer ersten Parlamentsdebatte vor acht Monaten vorenthalten worden seien.

Ein Verhaltenskodex für Minister müsse her, gab Bausch zu verstehen. In anderen Ländern mit derlei Regelwerk hätte ein solches Verhalten bereits strafrechtliche Folgen nach sich gezogen. Bereits vor Monaten hatte die Regierung die Möglichkeit, auf alle Fragen zu antworten. Es sei jedoch nur die halbe Wahrheit gesagt worden.

Vorwürfe richtet Bausch auch an den BCEE-Generaldirektor. Der habe seinerzeit verneint, die BCEE habe Darlehen im Zusammenhang mit dem Projekt Liwingen erteilt. Dabei seien Mittel geflossen, wenn auch indirekt für Rollinger, Kompensationszahlungen für das nicht realisierte Projekt Wickringen.

Der Untersuchungsausschuss soll Verhalten der Regierung klären

Die Affäre Wickringen-Liwingen werfe ein Licht auf das Verhältnis der Regierung zu Promotoren, betonte Bausch. Die von DP und „déi gréng“ geforderte Untersuchungskommission sollte volle Transparenz im Dossier Wickringen und Liwingen bringen, insbesondere über die Rolle der Regierung. Es gehe um eine Frage des Vertrauens des Bürgers in die Politik. Sollte im Rahmen dieser Arbeiten strafrechtliche Elemente bekannt werden, müsste der Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden.

Für die vor Tagen geäußerten Erpressungsvorwürfe gegenüber Rollinger konnte Bausch vorerst keine Beweise vorlegen. Das bezeugen könne nur der Betroffene selbst, so Bausch. Die Affäre müsse gerichtlich geklärt werden. Die Regierung müsse jedoch bereits klar sagen, ob sie Druck auf den Promotoren ausgeübt habe.

Das Parlament muss Klarheit schaffen

Als tiefgreifenste Regierungskrise seit Jahrzehnten bezeichnete DP-Präsident Claude Meisch die aktuellen Ereignisse. Die Regierung habe drei Jahre Zeit gehabt, Klarheit in diesem Dossier zu bringen. Unternommen habe sie nichts. Am Parlament und an der Justiz sei es nun, dafür zu sorgen.

Unklar bleibt bisher, warum Rollinger auf sein Projekt verzichtete, obwohl alle Genehmigungen vorhanden gewesen sei. Meisch zufolge habe die Regierung auf verschiedenen Ebenen interveniert, um das Projekt zu verhindern, sowohl bei Rollinger selbst, als auch bei Kreditgebern und Partner Rollingers. Meisch zitiert Audioaufzeichnungen, in denen Rollinger über Epressungsversuche seitens von Regierungsmitgliedern berichtet, dass man ihm das Genick brechen würde. Mit diesen Aussagen belaste Rollinger die ganze Regierung, so Meisch. Was spreche dagegen, dass Rollinger die Wahrheit sagt, fragt der DP-Politiker. Er habe keinen anderen Grund gehabt, auf sein erfolgsversprechendes Projekt zu verzichten.

Meisch geht davon aus, dass der Staatsanwalt sich der Sache annehmen wird. Sollte dies nicht der Fall sein, werde die DP eine Klage einreichen, so der Parteichef.

Wie bereits Bausch zuvor wirft auch Meisch der Regierung und der BCEE vor, das Parlament belogen zu haben. Die Sparkasse habe Rollinger wohl ein Darlehen im Rahmen des Projekts Liwingen gewährt. Die Mittel brauchte Rollinger, um aus dem Projekt Wickringen zu auszusteigen. Dabei habe Innenminister Halsdorf bei der BCEE interveniert. Meisch zitiert aus einer E-Mail eines hohen Staatsbeamten an Rollinger, in der letzterem Unterstützung in Sachen BCEE-Darlehen zugesichert wird. Nicht nur der Innenminister war über die Intervention bei BCEE informiert, sondern auch der Wirtschaftsminister und sogar Promotor Flavio Becca.

Halsdorf bestätigt BCEE-Anruf

Er habe dem Sparkassendirektor lediglich angerufen, weil sich Rollinger bei ihm über den hohen Zinssatz beschwert habe, sollte Innenminister Halsdorf am Ende der Debatte erklären. Das sei auch Monate, nachdem die Bank das Darlehen bereits hatte, erfolgt. Der BCEE-Direktor habe ihm, Halsdorf, gesagt, dass man den gewöhnlichen Zinsfuss angewandt habe. Das habe er Rollinger mitgteilt.

Als persönliche Beleidigung empfinde er den Vorwurf der Erpressung, so Premierminister Jean-Claude Juncker, der gleich nach Meisch das Wort ergriff. Sowohl Halsdorf als auch Krecké hätten ihm versichert, sie hätten Rollinger nicht erpresst. Er habe auch Rollinger selbst getroffen, nachdem die Erpressungsvorwürfe publik geworden waren.

Das Schreiben von drei Minister an Becca und Rollinger, sie würden das Projekt Liwingen unterstützen, sei keine rechtlich verbindliche Zusage. Derlei Erklärungen habe es in der Vergangenheit mit Promotoren immer wieder gegeben. Das sei keinesfalls der Versuch, einen Promotoren zu bevorteiligen. Das Schreiben könnte von Rollinger keinesfalls genutzt werden, um von der Regierung Entschädigungen zu fordern. Juncker reagierte auf ein von der DP in Auftrag gegebene rechtliche Gutachten zum vertraulichen Schreiben der Regierung an die Promotoren.

Wickringen aus landesplanerischen Gründen abgelehnt

Das Projekt Wickringen sei aus landesplanerischen Gründen nicht annehmbar gewesen. Deshalb habe man versucht, die Vorhaben Wickringen und Liwingen zusammenzubringen, betonte Juncker. Von Geheimnistuerei könne hier nicht der Rede sein. Der damalige Mittelstandsminister Fernand Boden erteilte dem Projekt Wickringen 2007 die Genehmigung, weil er es gesetzlich nicht verhindern konnte. Gegen diese Entscheidung protestierten sowohl die Nachbargemeinden, als auch Umweltverbände und Handelsverbände. Und der Grünen-Abgeordnete Camille Gira habe die Regierung gefragt, was sie denn unternehmen werde, um Wickringen zu verhindern.

Die Regierung habe das Projekt Wickringen von Anbeginn abgelehnt, und das lang vor Bekanntwerden des Projekts Liwingen. Als Ausweg wurde ein Zusammenlegen beider Projekte gesehen. Dass alle legalen Prozeduren beachtet werden müssten, sei verständlich, betonte Juncker.

Zum Vorwurf, Minister hätten bei der BCEE zugunsten von Guy Rollinger interveniert, betonte Juncker, es sei durchaus normal, dass die Regierung sich gegenüber einer Bank bezüglich eines Projekts äußere. Er habe jedoch zu keinem Zeitpunkt für ein Darlehen für einen konkreten Promotoren plädiert. Innenminister Halsdorf habe sich lediglich nachträglich über die Darlehensbedingungen für Rollinger informiert.

Das Projekt Wickringen sei nicht verhindert worden, um Liwingen zu ermöglichen, so Juncker. Mit welcher Begründung hätte die Regierung das tun sollen?

Justiz befassen

Erpressung sei ein strafrechtliches Vergehen, betonte der Regierungschef. Krecké schließe nicht aus, dass er Rollinger gerichtlich belangen werde, so Juncker. Ihm gegenüber haben sowohl Krecké als auch Halsdorf versichert, dass sie niemanden erpresst hätten. DP und „déi gréng“ rief er auf, den Staatsanwalt mit den Vorwürfen zu befassen. Andernfalls werde er den Justizminister auffordern, einzuschreiten und den Staatsanwalt einzuschalten. Die Vorwürfe Erpressung und Erpressungsversuch sollten vom Staatsanwalt durchleuchtet werden.

Sollte das Parlament der Meinung sein, das Land werde von einem korrupten Staatsminister geleitet, sollte man seinen Rücktritt fordern.

Claude Meisch wiederholte später die Forderung nach Einsetzen eines Untersuchungsausschusses. Nur so könnten Beweise erbracht werden, die zu weiteren gerichtlichen Schritten führen könnten. Für derlei Ausschuss reiche doch ein Anfangsverdacht, betonte Meisch. Allein die Mehrheitsparteien CSV und LSAP haben die Forderung der DP und „déi gréng“ zurückgewiesen.