Türkische Politik ist in Luxemburg angekommen

Türkische Politik ist in Luxemburg angekommen
(Reuters/Osman Orsal)

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Es herrscht eine Atmosphäre des Unbehagens - gelinde gesagt - unter Teilen der türkisch-stämmigen Einwohner Luxemburgs. Beim Kulturverein Turkuaz ist das zu spüren.

Die Ereignisse in der Türkei sind auch in Luxemburg angekommen. Dafür spricht einiges. Vor einem Monat erst ist der bis dahin amtierende Präsident der Asbl mit Sitz in Strassen mit rund 30 Mitgliedern aus Luxemburg und der Großregion zurückgetreten. „Turkuaz“ ist dem Dachverband der ausländischen Vereinigungen in Luxemburg, „Comité de liaison des associations d’étrangers“ (CLAE), angeschlossen.

Mit „Angst“ begründet der jetzige amtierende Präsident Hasan Erdem, der die türkische und die französische Staatsangehörigkeit hat, den Schritt seines Vorgängers. „Turkuaz“ wird laut Erdem in den Augen vieler in Luxemburg und der Großregion lebender Türken als Vereinigung von Sympathisanten der Gülen-Bewegung wahrgenommen. Jeder, der auch nur in den Verdacht gerate, den Ideen des Predigers nahezustehen, werde aktuell bei der Einreise in die Türkei registriert und habe mit Repressalien zu rechnen. Deswegen sei der aktuelle Präsident zurückgetreten.

Beunruhigende Vorfälle in Luxemburg

In der Ferienzeit kehren viele Expats zum Urlaub in ihre Heimat zurück. „Gülen ist Staatsfeind Nummer eins“, sagt Erdem, der sich selbst als Sympathisant outet. Er selbst ist 2014 nach Luxemburg gekommen, aus der Nähe von Paris und der Arbeit wegen. In Frankreich lebte schon sein Vater „der Arbeit wegen“. Die Familie stammt ursprünglich aus der Nähe von Antalya.

Obwohl die türkische Politik scheinbar weit weg ist, beunruhigen Erdem Vorfälle hier. „Ich bin gläubiger und praktizierender Muslim“, sagt er. Nach dem Freitagsgebet aber sei er von Unbekannten bespuckt worden. „Das sind Dinge, die erwartet man nicht“, sagt er. Das geschehe derzeit nicht nur in Luxemburg, sondern überall in Europa. Am Tag des Putsches seien Mitglieder von Turkuaz aus der französischen Grenzregion über Facebook bedroht worden. Man werde alles kaputtschlagen … „Es ist danach Gott sei Dank nichts passiert“, sagt Erdem.

Gülen-Anhänger werden registriert

Er selbst geht davon aus, Schwierigkeiten bei einer Einreise in die Türkei zu haben. „Es würde mich sehr wundern, wenn ich nicht registriert wäre“, sagt er – trotz gleichzeitiger französischer Staatsangehörigkeit. Deshalb wollen auch die rund 30 Mitglieder von Turkuaz – außer denjenigen mit einem Posten – nirgendwo offiziell auftauchen. Dass der in den USA lebende Prediger hinter dem Putsch stecke, will er persönlich nicht glauben. „Sie haben nichts in der Hand gegen ihn“, sagt Erdem, „und es ist leicht, die brennende Fackel auf Gülen zu werfen“. Das Klima in der Türkei hat sich in den letzten Tagen gewandelt. Erdem erzählt, dass die Polizeikommissariate dazu aufriefen, Gülen-Anhänger zu denunzieren.

Was erklärt die Faszination des derzeitigen türkischen Präsidenten? „Er hat die Erwartungen der Türken befriedigt“, sagt Erdem. Einkommen, Wohlstand, Bildung, damit ließen sie sich zu Beginn der Ära Erdogan zusammenfassen. Da habe er ja auch nach seinem Amtsantritt viel bewegt. „So lange, wie die Menschen Geld in der Tasche haben, ist alles gut“, sagt Erdem. Auch er war davon angesteckt – bis zur Umkehr. Nach der Korruptionsaffäre 2013 habe es schon große Veränderungen gegeben. Darüber hinweggesehen habe man deswegen, weil er in den Augen des Volkes am Aufbau des Landes gearbeitet habe. Für die laufenden Verhaftungen und Entlassungen hat Erdem nur einen Kommentar: „Das ist ein zweiter Staatsstreich“, sagt er.