/ "Starkes Bedürfnis nach Normalität"
Im Exklusivinterview mit dem Tageblatt im Vorfeld des Dyslexie-Forums auf Kirchberg gibt der dritte Sohn des großherzoglichen Paars Einblicke in sein Leben mit Lese- und Rechtschreibschwäche.
Steckbrief
Name: Prinz Louis Xavier Marie Guillaume von Luxemburg
Geboren: Am 3. August 1986 in Luxembourg als dritter Sohn von Großherzog Henri und Großherzogin Maria Teresa
Familienstand: Seit dem 29.9.2006 verheiratet mit Tessy Antony. Zwei Söhne: Gabriel Michael Louis Ronny (11 Jahre) und Noah Etienne Guillaume Gabriel Matthias Xavier (8 Jahre)
Ausbildung: Grundschule in Lorentzweiler, Sekundarstufe in der American School of Luxembourg und im Collège Beau Soleil in der Schweiz (Abschluss 2005). Seit Mai 2014 abgeschlossenes Studium der internationalen Richmond-Universität in London (Bachelor in Kommunikation).
Hobbys: Prinz Louis praktiziert mehrere Sportarten. Neben Bergsport (Ski alpin, Snowboard, Klettern …) vor allem Radsport, Schießen und Tauchen.
(Quelle: monarchie.lu)
Wann haben Sie festgestellt, dass Sie Probleme mit dem Lesen und Schreiben haben?
Prinz Louis: Ich erinnere mich, dass ich Rechtschreibtests im Deutschen hatte. Die Aufgaben fielen mir eigentlich recht leicht, weil mir zu Hause geholfen wurde. Dann meinte ich, dass ich keine Hilfe mehr benötigte, weil ich mich sehr sicher fühlte und es gut schaffte. Aber als ich dann meine nächste Schularbeit zurückbekam, war diese über die ganze Seite mit einem roten Strich versehen.
Wie fühlt sich ein Jugendlicher, wenn er feststellt, dass er im Gegensatz zu seinen Schulkameraden Probleme beim Lernen hat?
Man hat ein starkes Bedürfnis nach Normalität, das jedoch dauerhaft unerfüllt bleibt. Hat man aber die Schwierigkeiten einer Dyslexie einmal akzeptiert, entsteht aus dieser Frustration heraus eine sehr starke und unabhängige Persönlichkeit.
Haben Sie Nachteile in der Schule gehabt? Erklärt das vielleicht, dass Sie Ihre Studien in der Schweiz fortsetzten?
Ich habe mich für das amerikanische Schulsystem entschieden, vorerst in der American School of Luxembourg, da es ein besseres Verständnis für Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten (kurz LRS; Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten und Dyslexie werden als Synonym verstanden, d. Red.) hat. Als ich aufs Gymnasium ging, war das luxemburgische Schulsystem relativ schlecht auf Schüler mit Lernschwierigkeiten vorbereitet. Heutzutage versteht man besser, was eine LRS ist und wie man damit umgehen soll, aber es ist noch ein weiter Weg, bis das Niveau der angelsächsischen Länder zum Thema LRS im luxemburgischen Schulsystem erreicht ist.
Starker innerer Wille
Sie haben eine Reihe von Hochschulabschlüssen gemacht. Können Sie bestätigen, dass Jugendliche mit LRS besonders ehrgeizig sind und einen starken inneren Willen haben, auf anderen Gebieten „ihren Mann zu stehen“?
Kinder mit LRS haben einen starken inneren Willen, weil sie so oft Misserfolge hatten. Der LRS-bedingte Misserfolg wird zur Normalität und die Angst zu versagen verschwindet irgendwann. Diese Kinder entwickeln eine besondere Stärke hinsichtlich dessen, was sie wollen und geben ihre Ziele nicht schnell auf.
Wie sind Ihre Eltern, Großherzog Henri und Großherzogin Maria Teresa, mit Ihren Problemen in der Schule umgegangen?
Meine Eltern haben mir sehr geholfen, vor allem meine Mutter, denn ihr verdanke ich, dass meine Dyslexie als solche erkannt wurde. Die meisten Menschen um mich herum wussten nicht, wie sie mir helfen konnten und viele haben irgendwann aufgegeben, zu versuchen herauszufinden, was das Problem sein könnte. Meine Mutter aber hörte nicht auf, sich zu informieren, Fragen zu stellen und Erklärungen zu suchen. Dank ihrer Beharrlichkeit wurde schlussendlich festgestellt, dass ich an Dyslexie leide.
Sie sind selber Vater. Glauben Sie, dass Sie besonders sensibel für eventuelle Lernprobleme Ihrer Kinder sind? Und können Sie ihnen überhaupt bei den Hausaufgaben helfen?
Für mich ist es einfacher zu verstehen, was meine Kinder durchmachen. Es fällt mir jedoch schwer, ihnen zu helfen, da ich mich mit der Rechtschreibung immer noch schwertue und nur etwas schneller lautsprachlich lesen kann als meine Söhne derzeit. Ich kann sie moralisch, nicht aber praktisch unterstützen. Ich hoffe allerdings, dass meine Unvollkommenheit dazu beiträgt, sie besser verstehen zu lassen, dass Perfektion nicht unbedingt und überall notwendig ist.