Showdown im Parlament

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Wer zieht nach der Debatte über das Dossier Liwingen/Wickringen den Kürzeren? Gleich mehrere Regierungsmitglieder müssen sich am Mittwoch gegen Vorwürfe von DP und "déi gréng" wehren.

Korruption, Machtmissbrauch – die Vorwürfe von DP und „déi gréng“ gegen die Regierung wiegen schwer. Wie sind die Beziehungen einzelner Minister zu Promotoren des Projekts eines Fußballstadions mitsamt Einkaufszentrum in Liwingen? Haben Minister bei der Staatsbank- und –sparkasse zugunsten eines Promotoren interveniert? Auf diese Fragen will am Mittwoch unter anderem Premierminister Jean-Claude Juncker antworten. Er hatte vor zwei Wochen von schlimmen Vorwürfen gesprochen. DP und „déi gréng“ fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. CSV und LSAP bevorzugen gerichtliche Schritte. Falls konkrete Beweise vorliegen, sollten sie an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden.

Chronologie einer Affäre

Juni 2007. Erstmals werden Pläne zum Bau eines großen Einkaufszentrums in Wickringen bekannt. Der Schwerpunkt liegt bei der Bekleidungsbranche. Geplante Geschäftsfläche: 31.500 Quadratmeter.

Juli/August 2007. Die Gesamtfläche des Wicrange Shopping Center wird auf 22.971 Quadratmeter reduziert. Mittelstandsminister Fernand Boden erteilt die Genehmigung.

September 2007. Von Anbeginn an ist die Nachbargemeinde Monnerich gegen das Projekt. Dem Protest schließt sich u.a. die Handelskonföderation an.

Oktober 2007. Auf einer Bürgerversammlung sprechen sich die Einwohner der Gemeinde Reckingen für das Vorhaben aus.

Dezember 2008. Das Verwaltungsgericht weist die Klage von Innenminister Jean-Marie Halsdorf gegen die Baugenehmigung der Gemeinde Reckingen zurück.

Februar 2009. Geschäfte, die sich im Wickringer Einkaufszentrum niederlassen sollten, sollen nach Liwingen transferiert werden. Dort ist ein Fußballstadion samt Einkaufsmeile geplant. Die Regierung will einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten, heißt es seitens Premierminister Juncker.

April 2009. In einem vertraulichen Brief an die Promotoren Flavio Becca und Guy Rollinger sprechen sich Premierminister Jean-Claude Juncker, Innenminister Jean-Marie Halsdorf und Wirtschaftsminister für das Projekt Liwingen aus.

Mai 2009. Das Mega-Projekt Wickringen ist tot.

Oktober 2011. In einer öffentlichen Sitzung mehrerer Parlamentsausschüsse wehrt sich die Regierung gegen die Vorwürfe der Opposition in Sachen Projekt Liwingen.

Mai 2012. Die DP stellt ein juristisches Gutachten zum vertraulichen Brief mehrerer Regierungsmitglieder an die Promotoren vor.

Juni 2012. DP und déi gréng werfen der Regierung Erpressung und Amtsmissbrauch vor.

Auslöser der Affäre im letzten Jahr war ein Schreiben mehrerer Regierungsmitglieder an die Promotoren Guy Rollinger und Flavio Becca. Das Dokument war von Premierminister Jean-Claude Juncker, Innenminister Jean-Marie Halsdorf und Ex-Wirtschaftsminister Jeannot Krecké unterschrieben worden. Darin sprachen sie sich eindeutig für das Liwinger Projekt aus. Rollinger wurde geraten, auf das Wickringer Vorhaben zu verzichten und sich das Liwinger Projekt einzubringen.

Teil eins im Oktober 2011

Das Schreiben war bereits im Oktober 2011 anlässlich einer öffentliche Sitzung mehrerer Parlamentsausschüsse diskutiert worden. Sowohl Premierminister Juncker als auch die Minister Halsdorf und Krecké wiesen jedes ungesetzliche Verhalten von sich.

Am 22. Mai legte die DP ein juristisches Gutachten zu besagtem Schreiben vor. Dabei sprach Parteipräsident Claude Meisch erstmals von Amtsmissbrauch. Die Regierung habe ihre Kompetenzen überschritten.

Ein Zeuge, der keiner ist

Die nächste Etappe läuten DP und „déi gréng“ vergangene Woche ein. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz sprechen sie von Erpressung und Erpressungsversuch gegenüber Rollinger. Diesem sei sogar gedroht worden, ihn wirtschaftlich zugrunde zu richten, sollte er auf Wickringen nicht verzichten. Einer der Zeugen soll Ex-Bürgermeister Paul Helminger sein, der Rollinger 2009 traf. Dieser habe ihm wohl von Begegnungen mit der Regierung berichtet, er, Helminger, könne jedoch nicht bezeugen, dass die Regierung Druck auf Rollinger ausgeübt habe, so der vormalige hauptstädtische Bürgermeister laut Medienberichten.

Ein weiteres Kapitel der Affäre betrifft ein Millionendarlehen, das die Sparkasse Rollinger gewährte, nachdem er sein Großprojekt in Wickringen aufgegeben hatte. Hat Innenminister Jean-Marie Halsdorf sich bei der BCEE für günstigere Darlehensbedingungen eingesetzt? Halsdorf selbst behauptet, zu keinem Zeitpunkt gesetzwidrig gehandelt zu haben. Und Ex-Wirtschaftsminister Jeannot Krecké, den die DP und déi gréng ins selbe Boot mit Halsdorf setzen, will zu keinem Zeitpunkt bei der BCEE interveniert haben. Das Geld sollte unter anderem ehemaligen Geschäftspartnern wegen des geplatzten Deals in Wickringen zukommen.

Von Wickringen nach Liwingen

Auslöser der Affäre ist das Projekt der Gruppe Guy Rollinger. Zusammen mit ING Real Estate sollte in den Wiesen zwischen Steinbrücken und Wickringen ein Shopping-Paradies von rund 31.000 Quadratmetern entstehen, eine Einkaufspassage mit 130 Geschäften. Etwa 1300 Stellen würden geschaffen, hieß es. Das war Mitte 2007. Bereits im November 2010 sollte Ouvertüre sein, sollten alle Genehmigungen zum Bau des 150 Millionen Euro Projekts vorliegen. Doch grünes Licht kam nur vom damaligen Mittelstandsminister Fernand Boden. Laut gültiger Gesetzeslage habe man nicht anders handeln können, hieß es damals.

Schwieriger wurde es jedoch mit der Zustimmung aus dem Umwelt- und Innenministerium. Die wiesen dem Projekt die kalte Schulter, obwohl es in der Zwischenzeit um fast 8000 Quadratmeter verkleinert worden war. Nicht kompatibel mit der Landesplanung, genauer mit dem „Integrativen Verkehrs- und Landesplanungskonzept“ IVL, so der Vorwurf aus dem Innenministerium. Unterstützung gegen das Projekt gab es dabei unter anderem von Umweltverbänden, aber auch von Geschäftsverbänden der Nachbargemeinden und der Handelskonföderation. Das Projekt liege in einer nicht bebaubaren Zone, so der Hauptvorwurf. Außerdem drohe wegen des Überangebots in der Region ein Reinfall.

Rechtliche Schritte der Regierung, um das Projekt zu verhindern, blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht ließ Innenminister Jean-Marie Halsdorf abblitzen. Der hatte gegen die von der Gemeinde Reckingen erteilte Baugenehmigung geklagt. Anders als Monnerich waren Stadtführung und Bevölkerung von Reckingen für das „Wincrange Shopping Center“.

Der Kompromiss von 2009

Die Lösung sollte 2009 kommen. Der damalige Sportminister Jeannot Krecké enthüllte Pläne zum Bau eines neuen nationalen Fußballstadions mit Einkaufszentrum. Ein Teil der in Wickringen geplanten Geschäfte würden in Liwingen angesiedelt. In Wickringen würde ein kleineres Shopping-Center entstehen, hieß es am 27. Februar 2009 auf einer Pressekonferenz. Bereits eine Woche zuvor hatte Premierminister Jean-Claude Juncker diese mögliche Variante angedeutet. Das Projekt in Wickringen sei seiner Ansicht nach nicht IVL-konform, so Juncker, der sich damit Innenminister Halsdorf anschloss.

Der Nachricht vom effektiven Hinscheiden des Megaprojekts Wickringen kam nach einer Sitzung des Ministerrats am 22. Mai 2009. Das in Wickringen geplante Einkaufszentrum werde es definitiv nicht geben. Einer der zwei Promotoren des Wickringer Projekts werde sich an der Realisierung des Projekts um das nationale Fussballstadion in Liwingen beteiligen, hieß es nach der Regierungssitzung.

Wie es zu diesem Meinungsumschwung der Grupper Rollinger kam, dazu dürften am Mittwoch zusätzliche Details im Parlament bekannt werden.

Promotoren streiten

Auch ohne die vermeintlichen neuen Elemente von DP und „déi greng“ beschäftigt die Affäre bereits das Gericht. Rollinger hat gegen Becca geklagt. Weil er auf Wickringen verzichtete, habe Becca ihm, Rollinger, Ausgleichzahlungen versprochen. Die blieben bisher aus. Von unerfüllten Verpflichtungen gegen über Rollinger könne nicht die Rede sein, lässt Becca ausrichten.