Richterliche Kompetenz als Zankapfel

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Am Dienstag begann die Aufnahme der Zivilklagen im sogenannten Luxair-Prozess, der auf den Crash einer Fokker 50 am 6. November 2002 mit 20 Toten zurückgeht.

Am Dienstag begann das Berufungsverfahren im Luxair-Prozess. Sechs Sitzungen sind eingeplant für die zivilrechtlichen Aspekte der Affäre um den Absturz einer Luxair-Maschine 6. November 2002, bei dem 20 Menschen ums Leben gekommen. Mehrere Anwälte der Zivilparteien hatten Berufung eingelegt. Es geht dabei um die Entschädigung der Hinterbliebenen der Opfer. Die strafrechtlichen Aspekte sind abgehakt. Der Pilot, Claude Poeckes bekam 42 Monate Haft. Der technische Direktor, Marc Gallowitch erhielt 18 Monate Gefängnis auf Bewährung. Beide technischen Abteilungsleiter, Léon Moes und Guy Arendt wurden zu 24 Monaten Haft verurteilt.

Der Anwalt, der die Luxair im zivilrechtlichen Bereich vertrat, war während es Strafverfahrens Ansicht, dass ein Strafgericht bei einem Flugunfall-Prozess keine Entscheidung über Schadensersatzforderungen und Entschädigungen fällen könne. Das Richtergespann war auch dieser Auffassung und erklärte sich für inkompetent. Ein Zivilgericht müsse über die Entschädigungsansprüche entscheiden, so der Richter. Daraufhin legten mehrere Anwälte der Nebenklage Einspruch ein.

Die Rechte der Nachkommen

Anfangs der Berufungsverhandlung ging es um die Rechte der Nachkommen des inzwischen verstorbenen damaligen „Chief Engineering“ Léon M., der solidarisch mit allen anderen verurteilt worden war, wie Me Pol Urbany plädierte, der die Rechtssicherheit seines Mandanten zu garantieren versuchte.

Da Me Guy Loesch, der die Interessen aller Verurteilten außer dem Kapitän vertritt, keine Dokumente über die Erbfolge des Verstorbenen vorweisen konnte, stellte das Gericht die Frage ob die Erben belangbar sind zurück und wollte später darüber statuieren.

Zu langer Prozess

Es ging dann um die kruziale Frage der Kompetenz des Gerichts, wobei die Verteidiger für einen kurzen Prozess plädierten und sich auch engagierten, sich in ihren Plädoyers auf das Wesentliche zu beschränken. Me Urbany, der den Vater des beim Unglück verstorbenen Luxemburger Künstlers vertritt, bedauerte mit seinem Mandanten, dass der Prozess sich so lange hingezogen hat.

Er hoffe denn auch, dass die zweite Instanz nicht von Hypokrisie geprägt sein wird wie die erste. Die gegnerischen Anwälte sollten doch einfach zugeben, dass sie, wenn sie wegen der Warschauer Konvention die Inkompetenz des Gerichts plädieren, die Opfer und deren Hinterbliebenen nicht fair entschädigen wollen, obschon es die Versicherung der Luxair ist, die bezahlen muss.

Me Urbany erinnerte an den Airbus-Crash am Mont Saint Odile, bei dem Air France bewusst auf den Schutz der Warschauer Konvention verzichtete, um die Opfer fair und zeitgemäß zu entschädigen.
Der Anwalt zeigte sich erstaunt, dass sich die Richter aus erster Instanz in ihrer Urteilsmotivation aussschließlich auf die Argumentationen und die Produktion der Jurisprudenzen von Me Loesch stützen, während die oft stundenlangen Plädoyers der Nebenkläger außen vor blieben.

Anachronistische Warschauer Konvention

Er hoffe, dass man die leidige Diskussion über die Inkompetenz des Gerichts, die sich auf eine Konvention aus dem Jahre 1929 beruft, endlich beenden könnte. In diesen Pionierjahren der Fliegerei hatte dieser in Montreal nachgebesserte Vertrag eine ganz andere Bedeutung als heute, und das wissen auch die Verantwortlichen des heute in Berufung verhandelten Luxair-Unglücks, so der Anwalt.

Im Gegensatz zum Hexagon sei die Kompetenz des repressiven Gerichts im Luxemburger Rechtssystem gegeben, weil die Opfer auf eine Fehlervermutung im Zivilverfahren verzichten können, um sich in das Strafverfahren einzumischen.

Straftat feststellen

Der Richter muss nur eine Straftat feststellen, wie das auch in den Affären Zoufftgen und Hepatite C der Fall war, so Me Pol Urbany, der sich dagegen wehrte, dass ein modernes nationales Rechtssystem sich einer unzeitgemässen internationalen Konvention unterwirft, welche die Interessen des „Luftverkehrsführers“ wahren sollte.

Außerdem stünden in der Luxair-Affäre die „Leute“, wie es in der Warschauer Konvention heißt, des „Luftverkehrsführers“ vor den Berufungsrichtern, die in erster Instanz strafrechtlich verurteilt wurden, so der Anwalt, der abschliessend für die Reformation des Urteils aus erster Instanz zu diesem Kompetenzpunkt forderte.

Me Grozinger, der Verteidiger von sieben deutschen Opferfamilien, schloss sich den Worten seines Vorredners an. Er bedauerte die Oberflächlichkeit der Motivierung des Urteils aus erster Instanz, das sich einseitig auf eine isolierte und allseits umstrittene Entscheidung eines französischen Kassationhofes stütze, der eh einer falschen Interpretation der Warschauer Konvention folgte.
Das Berufungsverfahren im Zivilbereich des sogenannten Luxair-Prozesses wird am Freitag fortgesetzt.